«Von schlecht zu noch schlechter»
Drei Monate nach der Revolution in Ägypten überschatten gewalttätige Auseinandersetzungen und Verbrechen das Land am Nil. Der Übergang zur Demokratie steht auf der Kippe.
In Ägypten überschlagen sich die Nachrichten über gewalttätige Auseinandersetzungen. Am vergangenen Wochenende starben bei Zusammenstössen zwischen Muslimen und Christen zwölf Menschen, 230 wurden verletzt. Zwei Kirchen wurden in Brand gesteckt. Eine 14-jährige Grossnichte des 1981 ermordeten Präsidenten Anwar al-Sadat wurde entführt und Anfang April gegen ein Lösegeld wieder freigelassen.
Bei einem Fussballmatch in Kairo stürmten die Fans das Feld und griffen dabei das gegnerische Team und den Schiedsrichter an. In einem Vorort der Hauptstadt verletzte ein wütender Mob einen Verkehrspolizisten. Fast täglich versuchen Gefängnisinsassen auszubrechen.
Drei Monate nach dem Sturz von Präsident Hosni Mubarak befindet sich Ägypten in einer kritischen Übergangsphase. «Die Lage hat sich von schlecht zu noch schlechter entwickelt», beurteilt der ehemalige Präsident der Internationalen Atomenergiebehörde und Präsidentschaftskandidat Mohammed al-Baradei gegenüber der «New York Times» die aktuelle Lage in seinem Land. «Wo sind nur das Militär und die Polizei geblieben?»
Die Polizei hat ihre Macht verloren
Der einst für seine Brutalität berüchtigte Polizeiapparat hat zusammen mit dem Verschwinden Mubaraks komplett an Einfluss verloren, wie die «New York Times» weiter schreibt. Ihr ehemaliger Chef, Innenminister Habib al-Adly, wurde wegen Korruption zu 12 Jahren Gefängnis verurteilt. Die Bevölkerung rächt sich nun mit Ungehorsam und Demütigungen an den unbeliebten Polizisten.
Die Entwicklung ist die Schattenseite der Revolution. Der Polizeistaat des autoritär regierenden Hosni Mubarak hat sich in ein Land verwandelt, in dem Verbrechen und Übergriffe den Demokratieprozess gefährden. Die besorgniserregende Entwicklung hat die ägyptische Übergangsregierung zu einer Krisensitzung veranlasst. Man werde die Sicherheit im Land «mit eiserner Hand» garantieren, hiess es danach. 190 mutmassliche Verbrecher würden vor Militärgericht gestellt. Ministerpräsident Essam Sharaf fühlte sich gar gezwungen, der Polizei die volle Unterstützung der Regierung und des Militärs auszusprechen.
Salafisten nutzen das Machtvakuum
Nach dem Ende Mubaraks versuchen die Salafisten und andere extreme Gruppierungen das Sicherheitsvakuum ausnützen. Andere Stimmen sagen, dass die religiösen Auseinandersetzungen bewusst von Mubarak-Anhängern geschürt werden. Tatsächlich besteht die Gefahr, dass sich die Menschen plötzlich nostalgisch an Mubaraks Zeiten erinnern. «Das Schlimmste wäre jetzt, wenn die koptische Gemeinschaft plötzlich denken würde, dass unter Mubarak alles besser war», sagt der ägyptische Menschenrechtler Hossam Bahgat gegenüber dem «Time Magazine».
Ägypten, das sich in der Übergangsphase zur Demokratie befindet, steht vor seiner grössten Zerreissprobe. «Das ist ein Test für das neue Ägypten», sagt die ägyptische Bloggerin Zeinab Mohamed dem US-Magazin. Es sei nun an der Zeit, dass Christen, Muslime und Präsidentschaftskandidaten gegen diese gefährliche Entwicklung antreten. Viel Zeit dafür bleibt nicht mehr. Im September werden die ersten freien Wahlen stattfinden.
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