Von Schweinen und Fischen
Nicht mehr Europas kleine Volkswirtschaften – die PIGS – werden als Bedrohung der Einheitszone gesehen, sondern die grossen: der FISH.
Vergesst die Schweine, aber nehmt euch vor den Fischen in Acht: So könnte man die Stimmung in Bezug auf Euroland unter den professionellen Investoren derzeit beschreiben. Dabei handelt es sich weder um chinesische Astrologie noch esoterischen Schabernack, sondern um ein sehr ernst gemeintes Spiel mit Abkürzungen. Mit den Schweinen sind die PIGS gemeint – Portugal, Irland, Griechenland und Spanien. Drei von ihnen sind so hoch verschuldet, dass sie sich nicht mehr regulär an den Finanzmärkten refinanzieren können und auf die Hilfe des Rettungsfonds ESM angewiesen sind. Eine Staatspleite oder ein Austritt aus der Einheitswährung, vor allem von Griechenland, hat letztes Jahr die Märkte auf Trab gehalten. Dieses Problem ist zumindest vorübergehend entschärft – EZB-Präsident Mario Draghi sei Dank. Derzeit sind weder ein Grexit noch der Bankrott eines PIGS-Staates ein Thema.
Dafür rücken immer mehr die Schwierigkeiten der Grossen in den Vordergrund und damit auch eine neue Tierabkürzung: FISH steht für Frankreich, Italien, Spanien und Holland, also für volkswirtschaftliche Schwergewichte in Euroland. Spanien hat dabei die dubiose Ehre, beiden Gruppen anzugehören. Was macht diese Fische so gefährlich? Alle darin zusammengefassten Länder stecken bis zum Hals in grossen, wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Die «Financial Times» spricht von einem «tief sitzenden Unbehagen der Investoren, was die Wachstumsaussichten in Europa betrifft, nicht nur bei den Kleinen an der Peripherie, sondern auch bei den Grossen im Kern».
Mehr als kurzfristige Probleme
Tatsächlich ist bei allen vier FISH-Ländern das Bruttoinlandprodukt (BIP) im letzten Quartal 2012 geschrumpft. Es handelt sich dabei um mehr als kurzfristige Probleme. Die grossen, strukturellen Schwierigkeiten von Frankreichs Wirtschaft werden immer offensichtlicher, die Stimmung im Land immer pessimistischer. Noch schlimmer ist die Lage in Italien. Dort ist das BIP im letzten Quartal 2012 hochgerechnet auf das ganze Jahr um 3,6 Prozent eingebrochen. Das Land befindet sich in einer schweren Rezession, seit sechs aufeinanderfolgenden Quartalen nimmt das BIP ab. Zudem schwinden die Hoffnungen immer mehr, dass die anstehenden Wahlen zu einer Besserung führen könnten. Allgemein wird damit gerechnet, dass es zu einer wirren Situation kommen wird, in der eine linksliberale Regierung im Senat von einer rechten Opposition blockiert werden wird.
Spanien leidet nach wie vor unter einer generellen Massenarbeitslosigkeit und einer horrenden Jugendarbeitslosigkeit. Es wird Jahre dauern, bis sich die Wirtschaft auch nur einigermassen erholt haben wird. Und dass jetzt ein neuer Korruptionsfall die Regierung erschüttert, hilft nicht wirklich weiter.
Riesige Immobilienblase in Holland
Aber was ist mit Holland, dem treuesten Verbündeten der deutschen Austeritätspolitik? Vom Rest der Welt weitgehend unbemerkt hat sich in Holland eine Immobilienblase gebildet, die inzwischen epische Dimensionen angenommen hat. Die Summe aller Hypotheken beträgt mittlerweile 107,1 Prozent des BIP. Zum Vergleich: In Spanien sind es 52,4 Prozent, in Frankreich 41,2 Prozent. Die hohe Verschuldung der Privathaushalte dämpft den Konsum, und sollte die Immobilienblase platzen, dann ist mit gewaltigen Kollateralschäden zu rechnen.
Deutschland ist noch nicht Teil des Fisches. Möglicherweise hat dies bloss damit zu tun, dass der Buchstabe D in keine Tierabkürzung passt, denn auch die deutsche Wirtschaft befindet sich im Rückwärtsgang. Im vierten Quartal ist sie um 0,6 BIP-Prozente geschrumpft. Ob das ein Ausrutscher war oder mehr, ist derzeit nicht absehbar. Sicher ist, dass von der «positiven Ansteckung», mit der Mario Draghi den Börsenboom der letzten Wochen begründete, in Europas realen Wirtschaften noch nichts zu spüren ist. Die jüngsten Zahlen bestätigen vielmehr eine alte Weisheit: Der Fisch stinkt vom Kopf her.
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