Vor Gericht wegen Gefällt-mir-Klicks
Das Zürcher Obergericht muss ein Urteil fällen wegen Facebook-Likes im Zusammenhang mit Rassismusvorwürfen gegen Tierschützer Erwin Kessler.

Weiteres Kapitel im Fall Erwin Kessler gegen militante Tierschützer aus der Veganerszene: Das Obergericht Zürich hat gestern den Prozess gegen einen 32-jährigen Basler Tierschützer und Vizepräsidenten der Liga gegen Tierversuche weitergeführt, der bereits im April 2018 während eines ganzen Tages verhandelt worden war.
Der Mann war von der Einzelrichterin des Bezirksgerichts Zürich im Juni 2017 erstinstanzlich wegen übler Nachrede zu einer bedingten Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu 30 Franken verurteilt worden. Zudem muss er die Gerichts- und Untersuchungskosten bezahlen sowie Anwaltskosten der Gegenparteien. Der Beschuldigte habe die Ehre von Kessler und des Vereins gegen Tierfabriken (VgT) verletzt. Er hatte auf den Facebook-Seiten von «vegan in Zürich und Umgebung» und «Indyvegan» rund ein Dutzend Aussagen gelikt, welche Kessler und den VgT als rassistisch und antisemitisch bezeichneten und von «brauner Scheisse» schrieben.
Recht auf Vergessen
Gegen das Urteil reichte der Basler Berufung ans Obergericht Zürich ein. Während am ersten Prozesstag im April die beiden Verteidiger des 32-Jährigen versuchten, den Wahrheitsbeweis zu erbringen, dass der Vorwurf des Rassismus und Antisemitismus sich wie ein roter Faden durch Kesslers bald dreissigjähriges Engagement beim VgT ziehe, kamen am gestrigen zweiten Prozesstag vor dem Obergericht Erwin Kessler und die VgT-Vizepräsidentin Sonja Tonelli zu Wort.
Kessler und Tonelli machten ein Recht auf Vergessen geltend. Erwin Kessler habe nach der Verurteilung im Jahr 1998 die Rassismus-Strafnorm respektiert und sei nie rückfällig geworden, sagte die Vizepräsidentin. Es könne nicht sein, dass Kessler zwanzig Jahre später von einer kleinen Gruppe fanatischer Verleumder in Selbstjustiz öffentlich als Rassist, Antisemit und Nazi verurteilt werde. Kessler sagte, dass das Internet kein rechtsfreier Raum sei, man müsse die üble Nachrede endlich in den Griff bekommen. Er sprach von einer Hetzkampagne und von Rufmord des Beschuldigten.
Weiter sagte der 74-Jährige, der Begriff «Schächtjuden» richte sich nicht gegen die Juden allgemein, sondern nur gegen diejenigen, welche sich an dieser Tierquälerei beteiligen würden. Sonja Tonelli ergänzte, dass es auch in Zukunft möglich sein müsse, unmoralisches und tierquälerisches Verhalten von jüdischen Personen und Gruppen zu kritisieren, ohne gleich als Antisemit gebrandmarkt zu werden. Kessler erinnerte daran, dass es sich beim heutigen Prozess nicht um ein Rassismusverfahren handle, sondern um einen Verleumdungsprozess.
Im Thurgau recht erhalten
Kessler erwähnte, dass sich in einem ähnlichen Fall bereits das Bezirksgericht Münchwilen im Kanton Thurgau sowie das Thurgauer Obergericht am 28. Juni 2018 zivilrechtlich betreffend Persönlichkeitsverletzung befasst hatten. Die Gerichte hätten eine Frau verpflichtet, auf ihrer Facebook-Seite Äusserungen wie «klar antisemitisch und ausländerfeindliche Haltung» sowie «Nazi- und …» zu löschen.
Die gleiche Frau war in Winterthur strafrechtlich wegen Ehrverletzung angeklagt, im März 2018 von einer Einzelrichterin aber teilweise freigesprochen worden. Kessler und der Verein gegen Tierfabriken haben den Fall ans Obergericht weitergezogen, er ist noch hängig.
Das Obergericht fällte gestern Freitag noch kein Urteil. Es muss nun anhand der über hundertseitigen Ausführungen von Kessler und des VgT prüfen, ob die Verteidiger des Beschuldigten den Wahrheitsbeweis erbringen konnten oder ob es sich um mehrfache üble Nachrede handelt, wie dies die Einzelrichterin des Bezirksgerichts Zürich geurteilt hatte.
Das Urteil des Obergerichts, welches das erste in seiner Art im Kanton Zürich ist, wird den beiden Parteien schriftlich zugestellt.
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