«Vorhand oder Rückhand sind den Kindern egal»
Basel-Sieger Roger Federer über seine perfekte Woche, seine Tränen und die wichtige Rolle der Familie bei seiner Planung.
Seit über 30 Jahren gewinnen Sie schon Titel. Hat sich das Gefühl verändert?
Es ist ähnlich geblieben. Aber natürlich ist die Szenerie heute eine andere. Als ich als Junior einen Pokal hochstemmte, tat ich so, als sei ich einer der Grossen. Natürlich war ich das nicht. Wenn du es in einem Stadion tust, wo die Leute deinen Namen rufen, dich oder dein Tennis feiern, ist das ein wunderbares Gefühl. Damals, als ich Junior war, standen ein paar Eltern herum und vielleicht ein Fotograf, der ein Foto schoss. Es ist schon eine unglaubliche Reise, die ich zurückgelegt habe. Heute hat es mich wieder ziemlich berührt. Ich betrachte solche Turniersiege nicht als normal. Jeder hat seinen eigenen Geschmack. Und ich versuche, den Moment so sehr zu geniessen wie möglich.
Welchen Geschmack hat dieser Titel?
Ich verspüre eine riesige Genutuung. Es war ein unglaubliches Turnier für mich. Ich sprintete durch vom Anfang bis zum Schluss. Ich habe mich immer wohl gefühlt, stieg gut in jeden Match rein, hatte nie gross Mühe. Daher konnte ich es vielleicht noch mehr geniessen, manchmal während der Matches auch meine Gedanken wandern lassen. Weil ich nicht mit Kampf und Krampf gewinnen musste, wie das in Basel schon oft der Fall gewesen war. Es ist ein Privileg, dass ich das immer noch erleben darf.
Sie gewannen in Basel erstmals ohne Satzverlust…
….wirklich? Okay, dafür habe ich eine Weile gebraucht. Ich hatte sicher auch Glück mit dem Spielplan, dass Stan Forfait geben musste. Aber ich spielte immer auf einem sehr soliden Niveau. Manchmal spielte ich sogar fantastisch. Ich weiss nicht, ob es meine beste Woche in Basel war. Von den Resultaten her war es das wohl.
Es ist ein Privileg, dass ich das immer noch erleben darf.
Manchmal weinen Sie nach grossen Siegen, manchmal nicht. Was löst es aus?
Ich weiss es auch nicht genau. Sicher werde ich emotional, wenn ich an meine Familie denke. Oder an mein Team. Die Leute denken, mir würden solche Siege einfach zufallen. Aber es steckt so vieles dahinter. Vier Kinder zu manangen, ist eine Herausforderung. Eine schöne Herausforderung. Und wenn ich dann da stehe und mir solche Dinge durch den Kopf schiessen, berührt mich das. Dazu die Musik und die Ballkids, die in die Arena laufen. In Basel wird es für mich immer speziell sein.
John McEnroe sagte einmal, er sehe Ihre Tränen als Zeichen dafür, wie viel Ihnen das Tennis bedeutet. Einverstanden?
Auf jeden Fall. Und ich versuche nicht, meine Emotionen krampfhaft zurückzuhalten. Sondern möchte sie mit den Zuschauern teilen. Ich weiss, so bedeuten mir diese Siege noch viel mehr. Ich kann mich noch viel besser an sie erinnern. Zehn Titel in Basel hätte ich wirklich nie für möglich gehalten. Am Anfang war es mir unangenehm, solche Emotionen öffentlich zu zeigen. Aber inzwischen gehört es zu meiner Karriere. Ich verstelle mich nicht, probiere aber auch nicht, es extra zu machen. Es kommt ganz natürlich.
Mit diesem Punkt gewann Roger Federer zum zehnten Mal die Swiss Indoors. (Video: SRF)
Sie verblüffen die Leute immer wieder. Verblüffen Sie sich selbst auch immer noch?
Ja, auf jeden Fall. Klar habe ich hohe Erwartungen an mich selber. Und an die Mannschaft. Dass ich gut spiele, schön spiele. Aber das geht nicht immer auf Knopfdruck. Es gibt viele gute Spieler, die Margen sind derart klein. Die Leute vergessen, wie schnellleblig das Selbstvertrauen ist. Jetzt habe ich das Gefühl, ich könnte Bäume ausreissen. Aber es kann sich alles schnell wieder verändern. Deshalb überrascht es mich auch immer wieder, wenn es gut kommt wie nun diese Woche.
Wie fit fühlen Sie sich? Fit genug, um nächste Woche in Paris-Bercy zu spielen?
Ich bin happy, wie ich mich fühle. Ich könnte in Paris spielen. Aber ich weiss nicht, ob ich soll. Wir haben am Montag ein Teammeeting, das ich schon länger einberufen habe. Da geht es nicht nur um die nächste Woche, sondern um vieles mehr.
Was werden Sie genau besprechen?
Wir legen alles auf den Tisch für die nächsten zwölf Monate. Wir werden alles diskutieren. Wie wir alles organisieren können. Dabei gehe ich zuerst einmal von der Familie aus. Es ist wichtig, wo sich meine Kinder, meine Frau und ich am glücklichsten fühlen auf der Tour. Ich möchte so viel Zeit mit meinen Kindern verbringen wie möglich. Ich möchte nicht oft ohne sie sein. Dann müssen wir besprechen, wie ich mich auf die Turniere vorbereite. Alle Reisen. Wo ich meine Höchstform erreichen möchte. Und auch, wie wichtig die Rangliste für mich ist. Wenn sie nicht so wichtig ist, beeinflusst das meinen Spielplan. Ich muss nicht viel spielen, um gut zu spielen. Oft spiele ich besser, wenn ich entspannt und voller Energie bin. Solch grundlegende Diskussionen führen wir nicht oft, nur etwa zweimal im Jahr.
Oft spiele ich besser, wenn ich entspannt und voller Energie bin.
Am US Open fühlten Sie sich exzellent, dann schoss es Ihnen plötzlich in den Rücken. Haben Sie das auch im Hinterkopf? Wie horchen Sie in Ihren Körper hinein?
Ich habe nicht Angst, ich würde mich verletzen, wenn ich nach Paris gehen würde. Aber letztes Jahr hatte ich vor London einen steifen Rücken. Mein Ziel ist, dass ich zu 100 Prozent fit nach London reise. Und wenn ich das schaffe und nicht gewinne, obschon ich alles in die Waagschale geworfen habe, ist das okay. Dann kann ich das akzeptieren.
Räumen Sie dem ATP-Finale diesmal auch mehr Priorität ein, weil Sie dieses Jahr kein Grand-Slam-Turnier gewonnen haben?
Ich habe gut gespielt an den Grand Slams in diesem Jahr. Aber leider ist es nicht ganz aufgegangen. Ja, vielleicht bekommt das ATP-Finale für mich dadurch noch eine erhöhte Bedeutung. Ich weiss, das Niveau ist da. Das Selbstvertrauen auch. Ich habe in den letzten sechs Monate top trainiert, es hätte nicht besser sein können.
Die 109 Titel von Jimmy Connors rücken näher. Werden sie für Sie allmählich zum Ziel?
Ob ich bei 98 bin oder bei 103, das ist für mich vom Feeling immer noch etwa gleich weit entfernt. Ich stelle jetzt nicht einen Plan auf, wie ich in nächster Zeit am meisten Titel jagen könnte. Priorität haben die Gesundheit und die Familie. Alles wird dem untergeordnet. Nicht der Rangliste oder den Titeln. Natürlich würde ich mich freuen, wenn ich einen solch bedeutenden Rekord egalisieren könnte. Es ist schön, bin ich einen Schritt näher gekommen. Aber ich werde nicht länger auf der Tour bleiben deswegen.
Wie haben Ihre Kinder diesen Sieg erlebt?
Sie freuen sich über die Trophäe und übers Konfetti. Und nicht über Vorhand und Rückhand. (lacht) Das ist ihnen egal. Es freute mich, dass sie hier waren. Dass sie eine solche Freude hatten, ihre Freunde trafen, Gotti und Götti. Klar freuen sie sich, wenn ich happy bin. Aber ob ich verliere oder gewinne, ich bin der gleiche Papi zu Hause. Es ist eine schöne Erinnerung für mich, dass sie danach auf dem Center Court mit ihren besten Freunden mit den Konfetti spielen können. Ich hätte das als kleiner Bub gerne gemacht.
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