Waghalsige Rennen bringen Geld
Valencia feiert heute seine Formel-1-Premiere - auf einem Hochgeschwindigkeitskurs. Auch dort heilen die Mittel den Zweck, wie die «SonntagsZeitung» schreibt.
Die Formel 1 fährt auf dünnem Eis - und das im Sommer am Mittelmeerhafen von Valencia. Dort, an der Marina Juan Carlos I., wo 2007 das Schweizer Syndikat Alinghi den Sieg im 32. America's Cup holte, hat der Aachener GP-Architekt Hermann Tilke in nur eineinhalb Jahren für mehr als 130 Millionen Franken eine Strecke gebaut, die es in der Formel 1 bisher noch nicht gab. Denn einerseits gilt die 5,47 km lange Hafen- und Industriegelände-Rundfahrt als Stadtkurs, also als eher langsam, andererseits ist sie aber auch eine Hochgeschwindigkeitsstrecke.
Wer bisher glaubte, dass das eine das andere ausschliesse, wird auf dem rasanten und daher auch besonders riskanten neuen «circuito» in Spaniens drittgrösster Stadt eines Besseren belehrt. Mit Höchstgeschwindigkeiten von 315 bis 320 km/h erreichen die 750- bis 800-PS-Boliden dort Tempi wie auf den Traditionspisten von Silverstone oder Monza.
Kein Vergleich also mit Monte Carlo, dem klassischen Strassenkurs, wo die Spitzenwerte um 270 km/h liegen. Die Durchschnittsgeschwindigkeit haben die Teams für die heutige Premiere von Valencias Europa-GP auf mehr als 210 km/h hochgerechnet. Im engen Kurvenlabyrinth Monacos liegt der Schnitt etwas über Tempo 150.
Valencia und sein Komplex im Vergleich mit Spaniens Städten
Vom Mythos Monte-Carlo will Valencia profitieren, um sich neben dem America's Cup nun auch in der Formel 1 global profilieren zu können. Schnittige Jachten und schnelle Boliden sind offenbar noch immer effiziente Werbevehikel. Dabei hat die 850 000-Einwohner-Metropole ihr Industriehafen-Image längst abgestreift. Sie leidet aber dennoch an einem Komplex: Immer noch wird zuerst von Madrid und Barcelona gesprochen, wenn von Spanien die Rede ist. Valencia möchte endlich in einem Atemzug mit den beiden Weltstädten genannt werden.
Der Grand Prix kam da gerade recht - auch wenn pro Rennen in den nächsten sieben Jahren jeweils rund 40 Millionen Franken Antrittsgeld an GP-Chefvermarkter Bernie Ecclestone bezahlt werden müssen. Für Valencias Bürgermeisterin Rita Barbera Nolla war die Formel 1 so wichtig, dass sie auch damit bei den Wahlen 2007 auf Stimmenfang ging - und gewann.
So, wie in der Politik fast alle Mittel den Zweck heiligen, geschieht das auch in der Formel 1. Mehreinnahmen von Städten wie Valencia werden wichtiger als mehr Sicherheit. Galt nach Ayrton Sennas Unfalltod in Imola im Mai 1994 aus Sicherheitsgründen noch die Devise, dass auf neuen Rennstrecken möglichst viel Platz zwischen Autos und Streckenbegrenzung geschaffen werden müsse, hat sich das nun wieder geändert.
Wandel von Wüstenstrecken zu schnellen Stadtkursen
Mit Valencia und Singapur, wo am 28. September das erste GP- Rennen unter Flutlicht gefahren wird, kamen Stadtstrecken ins Programm, die vom Sicherheitsaspekt her eher das Gegenteil von Kursen wie in Malaysia, Bahrain, Shanghai und Istanbul sind.
Diese Strecken, die auf dem Lande beziehungsweise in der Wüste zwischen 1999 und 2005 eröffnet wurden, zeichnen sich durch grosszügige Auslaufzonen aus. Was dort für die Fahrer von Vorteil ist, ist für Zuschauer ein Nachteil, weil sie meist weit weg vom Geschehen sitzen. In Valencia und Singapur sowie ab 2009 in Abu Dhabi werden die Fans keine Feldstecher mehr brauchen, um die Boliden grösser sehen zu können.
Ähnlich wie in Monte Carlo sitzen dort die meisten gewissermassen in der ersten Reihe - auch bei einem Unfall. «Es ist natürlich ein Unterschied, ob man Auslaufzonen aus horizontalem oder vertikalem Beton hat», brachte Mercedes-Sportchef Nobert Haug die Sicherheitseinrichtungen in Valencia auf den Punkt.
3000 Betonelemente samt Drahtgitter und 50 000 Reifen, zu Stapeln verschnürt und verschweisst, bilden das Sicherheitskorsett von Valencias Hafenrundfahrt. In Monaco ist der Super-GAU bisher ausgeblieben. Weil offenbar solange nichts passiert ist, wagt sich die Formel 1 nun wieder in die Städte.
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