Beide gewannen die Präsidentschaft lediglich dank des Wahlkollegiums, beide sind sie keine grossen Leuchten. Der eine, George W. Bush, entstammte präsidialem Adel, der andere, Donald J. Trump, dem halbseidenen Milieu der Celebrity-Welt. Was sie indes trennt, sind ihre Vizepräsidenten: Hier der frömmelnde Mike Pence, ein farbloser Apparatschik aus dem republikanischen Regal für Einheitsbrei, dort der mächtigste Vize der amerikanischen Geschichte, ein Mann namens Dick Cheney, der den bizarrsten Krieg dieser Geschichte an vorderster Stelle anzuzetteln half und seinen dünnbrettbohrenden Boss im Weissen Haus dabei nach Strich und Faden manipulierte.
Trump mag nicht richtig ticken, aber immerhin hat er uns bislang nicht in einen an den Haaren herbeigezogenen Krieg wie den im Irak gezerrt, der mindestens einer halben Million Menschen das Leben kostete. Das ganze Elend der Bush-Präsidentschaft mit ihrem machtgeilen Vizepräsidenten wird den Amerikanern nun ausgerechnet zur Jesus-Geburt beschert: Der Film «Vice», eine betrübliche Angelegenheit, wird am Weihnachtstag in den Kinos anlaufen, schon jetzt hagelt es Lorbeeren für das formidable Werk des Drehbuchautors und Regisseurs Adam McKay.
Dafür verantwortlich ist unter anderem eine Riege von Stars, die in ihren Rollen aufgehen. Christian Bale – 40 Pfund nahm er zu für seine Rolle – gibt einen Cheney, wie er leibt und lebt, ihm gegenüber spielt Sam Rockwell den unbedarften Präsidenten, Amy Adams Cheneys Ehefrau Lynne, und Steve Carell tritt als Donald Rumsfeld auf.
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Bilder: Dick Cheney nach dem Anschlag vom 11. September 2001
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Wohin die Reise geht, wird früh ersichtlich: Cheney wird vom designierten Präsidenten gefragt, ob er willens sei, den Posten des Vizepräsidenten zu übernehmen. «Die Vizepräsidentschaft ist vor allem ein symbolischer Job, wenn wir uns...ah…jedoch einigen könnten, würde ich die Alltagsarbeit übernehmen: die Bürokratie beaufsichtigen sowie die Energie-, Militär- und Aussenpolitik», erklärt Cheney. Bush, der von Tuten und Blasen keine Ahnung hat, stimmt sofort zu: «Genau, das gefällt mir.»
Reue zeigt er niemals
Damit übergibt der überforderte Dilettant dem gewieften Vize die Hebel der Macht, bald ist nicht er, sondern Cheney der Strippenzieher des Unheils, das im Irak angerichtet wird. Angefeuert durch Medien, die voll in seine Massenvernichtungswaffenfantasien eintauchen, darunter die «New York Times», und bestärkt durch eine neokonservative Agitprop-Kampagne, zieht Cheney alle Register seiner politischen Gewissenlosigkeit.
«Bist du noch rücksichtsloser, als du es damals warst?», fragt Carells Rumsfeld den alten Kumpan aus Richard Nixons Gruselkabinett. Natürlich ist der noch rücksichtsloser: Beharrlich und mit heruntergezogenem Mundwinkel treibt der Mann aus Wyoming Land und Leute in einen desaströsen Krieg, gekonnt souffliert er dem unterbelichteten Präsidenten.
Reue zeigt er niemals. «Wenn du Macht hast, versuchen die Leute immer, sie dir wegzunehmen», ermahnt Gattin Lynne den Vize zur Wachsamkeit. Der ist stets auf dem Posten: Seine Spezis verdienen prächtig am Krieg im Irak, es wird gefoltert und gelogen, ein Skandal jagt den anderen, ohne dass Cheney jemals einen Preis dafür bezahlt hätte.
Bis jetzt: Nach einer Vorführung des Films für ausgewählte Medien am vergangenen Donnerstag fragte die «New York Times»-Kolumnistin Maureen Dowd den Regisseur, wer denn schlimmer sei, Cheney oder Trump? «Möchten Sie lieber einen professionellen Killer, der hinter Ihnen her ist, oder einen Verrückten mit einem Schlachtermesser?», antwortet McKay. Er ziehe einen Verrückten mit einem Schlachtermesser vor und glaube deshalb, «dass Cheney der Schlimmere ist». Endlich einmal ein Lob für Donald Trump, wenngleich noch nicht aller Tage Abend ist und genügend Zeit für einen Amoklauf bleibt.
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War er schlimmer als Donald Trump? Ein neuer Spielfilm über Vizepräsident Dick Cheney kommt zu einem eindeutigen Ergebnis.