Warum arme Thurgauer zu St. Galler Ärzten gehen
Der Kanton Thurgau führt eine schwarze Liste von säumigen Prämienzahlern. Doch diese ist nicht aktuell. Und so weisen Ärzte auch Patienten ab, die ihre Ausstände beglichen haben.
Seit letztem November können Thurgauer Ärzte, Spitäler oder Apotheker überprüfen, ob ein Patient regulär krankenversichert ist. Der Kanton hat jene rund 4500 Personen aufgelistet, die von ihrer Krankenkasse mit einer Leistungssperre belegt wurden. Sie erhalten im Kanton nur noch medizinische Hilfe im Notfall. Die Liste ist nicht öffentlich – es handelt sich um eine passwortgeschützte Datenbank, auf die nur ein begrenzter Kreis von Akteuren Zugriff hat. Doch sie gibt in der Öffentlichkeit viel zu reden. Aus verschiedenen Gründen.
Die Liste ist nicht aktuell. Auch Mario Brunetti, der Generalsekretär des zuständigen Thurgauer Departements, hat schon von Patienten gehört, die vom Arzt nicht behandelt wurden, obwohl ihre Prämien inzwischen bezahlt waren. Der Grund dafür: Die Krankenkassen müssen der Gemeinde nur melden, wenn sie für einen ihrer Klienten eine Leistungssperre verhängen. Wenn sie diese wieder aufheben, erfolgt keine Meldung. Darüber ärgert sich Brunetti. Der Kassenverband Santésuisse sowie der Branchenleader Helsana argumentieren, der administrative Aufwand wäre viel zu gross. Betreibungsverfahren liefen in der ganzen Schweiz vollautomatisiert ab, da lohne es sich nicht, für einen Kanton noch einen komplexen Zwischenschritt zu programmieren.
Die Thurgauer Lösung sorgt zum Teil für Ärger bei den St. Galler Ärzten. Diese registrieren nämlich, dass Thurgauer Patienten mit Leistungssperre nun auf Praxen im Nachbarkanton ausweichen, wie Peter Wiedersheim, Präsident der Konferenz Ostschweizer Ärztegesellschaften, bestätigt. Generalsekretär Brunetti sagt, man habe den Kantonen Zürich und St. Gallen angeboten, ihre Leistungserbringer könnten die Thurgauer Homepage auch einsehen, wenn die beiden Kantone selbst eine Liste erstellten. Doch diese lehnten ab. «Wir führen keine solche Liste, weil sie das Problem nicht löst», sagt die St. Galler Gesundheitsdirektorin Heidi Hanselmann.
Die Regelung stellt die Leistungserbringer vor die knifflige Frage, was denn ein echter Notfall ist. Der Kanton vergütet den Ärzten nämlich nur wirkliche Notfallbehandlungen. Versorgen sie Patienten mit Leistungsstopp, deren medizinisches Problem nicht ganz so drängend ist, so bleiben sie nachher selbst auf der unbezahlten Rechnung sitzen.
Zudem stellen sich allenfalls datenschützerische Fragen, jedenfalls hat eben ein säumiger Prämienzahler Anzeige gegen den Regierungsrat eingereicht, wie die Thurgauer Zeitung meldete. Er ist überzeugt, die aufgeführten Daten seien nicht nur versicherungstechnischer Natur.
Bei den Versicherern kommt die Liste nicht gut an: «Wir finden das eine zweifelhafte Angelegenheit», sagt Helsana-Sprecher Rob Hartmans. Und Gebhard Heuberger, Leiter Region Ost vom Kassenverband Santésuisse betont, «Wir streben eine gesamtschweizerische Lösung an. Da wollen wir nicht, dass jeder Kanton selbst etwas ausprobiert.»
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