Geldblog: Alle lieben AktienWarum bewirbt kaum jemand Anleihen?
Ein Leser wundert sich, warum die als sicher geltenden Obligationen von Medien und Experten wenig propagiert werden. Martin Spieler nennt einige Gründe für die Zurückhaltung.

In den Medien hört und liest man meist nur Beiträge über Aktien. Dabei sind Obligationen doch viel sicherer und man hat kaum grosse Risiken. Ich verstehe nicht, warum Obligationen von den Medien und auch von Ihnen nicht mehr propagiert werden. Leserfrage von F.H.
Aktuell sind auch die Kurse von Obligationen unter Druck. Ich gebe Ihnen aber grundsätzlich recht: Bei den meisten Obligationen sind die Kursausschläge tatsächlich deutlich geringer, womit es in der Regel eben auch weniger spannend ist, über deren Verlauf zu berichten. Das kann sich aber rasch ändern, wenn etwa die Kurse einzelner oder einer ganzen Gruppe von Obligationen plötzlich dramatisch einbrechen. Dies kommt dann vor, wenn sich die Kreditfähigkeit eines Unternehmens überraschend deutlich verschlechtert und Zweifel aufkommen, dass ein Schuldner seine Verpflichtungen noch in vollem Umfang nachkommen kann oder wenn die Zahlungsfähigkeit eines ganzen Landes infrage gestellt wird – wie dies wegen dem Krieg in der Ukraine und den gegen Russland verhängten Sanktionen bei Papieren von russischen Schuldnern geschah.
Diese Beispiele zeigen, dass man nicht einfach davon ausgehen sollte, dass Obligationen im Vergleich zu Aktien zwingend deutlich sicherer sind. Mit einer Anleihe nimmt der Schuldner Fremdkapital auf. Dafür muss der Schuldner den Besitzern der Obligationen während der festgelegten Laufzeit einen bestimmten Zins zahlen und den Betrag am Ende der Laufzeit vollständig zurückzahlen, wobei sich ein Schuldner auch das Recht vorbehalten kann, das Kapital vorzeitig zurückzuzahlen. Auch wenn Obligationen für viele als sicher gelten, sollte man sich bewusst sein, dass man sich auch bei diesen Papieren einigen Risiken aussetzt. Offensichtlich ist das beschriebene Schuldnerrisiko. Wenn das Unternehmen nicht mehr zahlungsfähig ist und ein Konkurs droht, muss man auch als Inhaber einer Obligation damit rechnen, dass man einen Teil seines Geldes oder im schlimmsten Falle sogar alles verliert.
Da die Zinsen weiter steigen, gehe ich davon aus, dass die Kurse von lang laufenden Obligationen noch mehr unter Druck geraten.
Über das Konkursrisiko hinaus trägt man bei Obligationen aber auch ein Zinsänderungsrisiko und bei Fremdwährungsobligationen auch ein Währungsrisiko. Gerade das Zinsänderungsrisiko sollte man im aktuellen Marktumfeld weiter gut im Auge behalten. Nachdem die internationalen Notenbanken damit begonnen haben, ihre Geldpolitik zu verschärfen und in einigen Ländern – insbesondere in den USA, aber zuletzt auch in der Schweiz – die Zinsen bereits gestiegen sind, ist man besonders bei Obligationen mit längerer Laufzeit mit Kursverlusten konfrontiert. Wenn man als Anleger weiss, dass man mit neu herausgegebenen Obligationen einen höheren Zins bekommt als mit früher herausgegebenen Obligationen von Schuldnern mit gleicher Bonität, wird man jene Papiere mit einem höheren Zins bevorzugen.
Dieses Zinsänderungsrisiko hat denn auch dazu geführt, dass viele Leute, die auf Fonds mit Obligationen mit langer Laufzeit gesetzt hatten, nun mit zum Teil beträchtlichen Buchverlusten konfrontiert sind. Da die Zinsen weiter steigen, gehe ich davon aus, dass die Kurse von lang laufenden Obligationen noch mehr unter Druck geraten. Jetzt im Juli wird die Europäische Zentralbank ebenfalls die Zinsen erhöhen. Auch die Schweizerische Nationalbank dürfte die Zinsen im September noch weiter anheben. Vor diesem Hintergrund warne ich davor, die Risiken von Obligationen generell als sehr gering einzustufen.
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