Warum den Notenbanken unwohl ist
Sie sitzen weltweit auf gigantisch aufgeblähten Bilanzen und wissen nicht, wie sie abzubauen sind. Die Schweizer Nationalbank hat dabei ein besonderes Problem.

Letzte Woche hat die Europäische Zentralbank EZB ihre geldpolitische Stossrichtung bekannt gegeben, heute folgt in den USA das Fed und morgen die Schweizerische Nationalbank (SNB) mit ihren Entscheiden. Angesichts der Erwartung einer kommenden Normalisierung in der Weltwirtschaft nimmt die Frage immer grössere Dringlichkeit an, wann und wie die Geldinstitute ihre massiv aufgeblähten Bilanzen wieder zu einem Normalzustand zurückführen können.
Praktisch alle haben ihre Bilanz seit der Finanzkrise vervielfacht. In den USA ist jene des Fed seit 2007 um rund das Fünffache auf 4500 Milliarden Dollar angestiegen, jene der Europäischen Zentralbank um beinahe das Vierfache auf 4100 Milliarden Euro und jene der Schweizerischen Nationalbank sogar um das Siebenfache auf 783 Milliarden Franken. Gemessen an der Grösse der eigenen Volkswirtschaft übertrifft die Bilanzsumme der Nationalbank die der beiden anderen allerdings sehr deutlich, sie ist grösser als das Bruttoinlandprodukt der Schweiz.
Der Grund für diesen massiven Anstieg der Notenbankbilanzen sind die massiven Interventionen dieser Institute, um die Finanzkrise zu bewältigen. Bei der EZB kam noch die Bewältigung der Eurokrise hinzu. Sowohl das Fed wie die EZB haben die Bilanz durch Käufe vor allem durch den Ankauf von Anleihen – vor allem Staatsanleihen – gegen neu geschaffenes Geld aufgebläht. Bei der SNB waren es die massiven Devisenkäufe, um sich der Aufwertung des Frankens angesichts der Krisen im Umfeld entgegenzustemmen.
Angst vor Inflation und Handlungsunfähigkeit
Eine sehr grosse Bilanz einer Notenbank bedeutet, dass diese entsprechend viel neues Geld geschaffen hat. Das betrifft aber nur unwesentlich das klassische Notengeld, sondern vor allem die Einlagen der Geschäftsbanken bei den Notenbanken. Schwimmen die Banken im Geld, wird es für die Notenbanken schwieriger, ihre Geldpolitik über Leitzinsen zu steuern, und es besteht die Gefahr, dass es zu einer Inflation kommen kann. Letzteres vor allem dann, wenn dieses Geld schubartig in den Wirtschaftskreislauf fliesst. Das ist bisher allerdings nirgendwo geschehen und bleibt vorerst unwahrscheinlich.
Keine Notenbank fühlt sich aber wohl mit dem aktuellen Ausmass ihrer Bilanz. Zunehmend rückt daher in den Vordergrund, wie der Abbau konkret bewerkstelligt werden kann. Wie schon bei den Leitzinsen – die sie als erste von allen schon mehrmals erhöht hat – geht auch hier die US-Notenbank voran. Das Fed kann sich das angesichts einer weiter fortgeschrittenen Konjunkturerholung als anderswo auch am ehesten leisten. Dennoch tun sich auch in den USA die Notenbanker mit den konkreten Schritten schwer. Noch immer sitzt ihnen der Schock aus dem Jahr 2013 in den Knochen. Damals hat allein die Ankündigung von reduzierten Käufen von Staatsanleihen sofort zu einem starken Anstieg der Langfristzinsen (bzw. einem Kursrückgang bei den Staatsanleihen) geführt, was weltweit Turbulenzen auf den Kapitalmärkten zur Folge hatte. Die Episode ging unter dem Begriff «Taper-Tantrum» in die Geschichte ein.
Gemäss bisherigen Fed-Verlautbarungen plant die US-Notenbank nicht, die Bilanz durch Verkäufe der Anleihen in ihrer Bilanz zu reduzieren. Das wäre ihr ein zu radikaler Schritt. Vielmehr will sie das Geld, das ihr durch auslaufende Anleihen zufliesst, nicht wieder in neue investieren, wie sie das bisher tut. Durch diese Rückzahlung ausstehender Staatsanleihen und verbriefter Hypothekarpapiere verkürzt sich die Bilanz der Notenbank über die Zeit automatisch. Wie verschiedene Forschungsinstitute zudem prognostizieren, wird sie selbst dabei vorsichtig bleiben und anfänglich nur einen Teil – etwa die Hälfte – der an sie zurückbezahlten Beträge nicht mehr neu investieren. Das Fed will möglichst verhindern, dass die geplante Verringerung der Bilanz seinem anderen Anliegen in die Quere kommt, nämlich die Leitzinsen langsam weiter anzuheben. Das ist kein einfaches Unterfangen, da eine kleinere Nachfrage nach Staatsanleihen die Anleihenkurse drückt, was das Zinsniveau auch ansteigen lässt.
Die EZB und die SNB blähen ihre Bilanz weiter auf
In Europa wird man jedenfalls sehr genau beobachten, wie das Fed vorgeht und welche Herausforderungen das mit sich bringt. Die EZB ist allerdings noch sehr weit davon entfernt, die Bilanz zurückzufahren. Im Gegenteil: Noch kauft sie für monatlich 60 Milliarden Euro Staatsanleihen neu dazu. Professionelle Beobachter erwarten, dass sie diese Käufe ab Beginn des nächsten Jahres langsam auslaufen lassen wird. Eine Zinserhöhung soll erst deutlich nach dem Ende dieser Käufe erfolgen.
Auch die Schweizerische Nationalbank wird deshalb noch lange nichts unternehmen, um die eigene Bilanz zu reduzieren. Im Gegenteil: Ihre Bilanz ist allein seit dem vergangenen Dezember hauptsächlich wegen ihrer Devisenmarktinterventionen zur Verhinderung einer weiteren Frankenaufwertung um fast 40 Milliarden Franken weiter angewachsen. Solange die EZB sich keine Normalität in der Geldpolitik leisten kann, wird das auch für die Nationalbank unmöglich bleiben. Und das dürfte noch lange so bleiben.

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