Warum es gut ist, sich zu schämen
Das Empfinden von Scham ist entscheidend, damit Menschen in Gruppen zusammenarbeiten können, glaubt ein Anthropologe. Er unterscheidet zwei grundlegend verschiedene Arten des unangenehmen Gefühls.

Wir kennen es, dieses unschöne Gefühl – zum Beispiel im Tram oder Bus. Man hat es eilig, gerade noch den anvisierten Zug erwischt und es in der Zeitnot nicht mehr geschafft, einen Fahrschein zu lösen. Schon plagt einen das schlechte Gewissen – aus Angst vor der Strafe, mehr noch aus Angst vor der Scham, sollte es schiefgehen. Prompt tauchen Kontrolleure auf und stellen jene Frage, die man am wenigsten gebrauchen kann. Jetzt ist sie unausweichlich, die Scham, mit ihren typischen körperlichen und seelischen Merkmalen. Das Gesicht errötet und senkt sich leicht, die Schultern sacken nach unten, man fühlt sich klein, will im Boden versinken und weiss, die Augen der anderen sind auf einen fixiert. Alles sozusagen Kontrolleure in Sachen Gemeinwohl.