Warum es im US-Drohnenkrieg offiziell keine toten Zivilisten gibt
Die US-Armee hat den Einsatz von Drohnen in den letzten Tagen massiv verstärkt. Die Waffe gilt als Wundermittel, das unnötiges Blutvergiessen verhindern soll. Zivile Opfer gibt es keine – aber nur offiziell nicht.
Für die USA sind Drohnen die ideale Lösung im Antiterrorkampf. Seit Jahren setzt Washington die Hightech-Waffe in Pakistan und im Jemen ein. Sie gilt als präzise und effektiv. Als Mittel im Kampf gegen den Terrorismus, ohne Bodentruppen, ohne Rückschläge, ohne unnötiges Blutvergiessen. Nur Terroristen sterben.
Das Pentagon führt eine Liste mit Terroristen, die getötet werden sollen. Das letzte Wort über Leben und Tod hat dabei US-Präsident Barack Obama.
Erst vor zwei Tagen konnte die US-Armee einen weiteren Erfolg verbuchen und die Fähigkeiten der unbemannten Waffe unter Beweis stellen: Bei einem Drohnenangriff in Pakistan starb am Dienstag Abu Jahia al-Libi, die Nummer zwei von al-Qaida. Zivilisten starben keine – zumindest offiziell nicht.
Eine Frage der Definition
Doch so sauber wie der Drohnenkrieg von US-Präsident Barack Obama und seinem Team verkauft wird, ist er laut «New York Times» bei weitem nicht. Dem Bericht zufolge gibt es einen Grund dafür, dass die Zahl der toten Zivilisten bei Drohnenangriffen so gering ist: Die Kategorisierung der Toten. Demnach gelten alle Männer im wehrfähigen Alter, die sich im Gebiet des Drohneneinsatzes aufhalten, als Kämpfer und nicht als Zivilisten.
Antiterror-Beamte erklären diese Definition im Bericht ganz einfach: Menschen, die in einer Gegend unterwegs seien, die als Operationsgebiet von al-Qaida bekannt ist, würden wahrscheinlich nichts Gutes im Schilde führen.
Acht Drohnenattacken in zwei Wochen
Der Einsatz von Drohnen hat unter US-Präsident Barack Obama stark zugenommen. Wie «Spiegel online» unter Berufung auf die Experten-Website «Long War Journal» berichtet, gab es im Jahr 2012 insgesamt 21 Attacken – acht dieser Angriffe erfolgten in den vergangenen beiden Wochen.
Erst im letzten Jahr brüstete sich John Brennan, Antiterror-Berater von Obama, damit, dass innerhalb eines Jahres kein Nichtkämpfer bei den Drohnenangriffen ums Leben gekommen sei. Frühere Mitarbeiter des US-Geheimdiensts bezweifeln dies jedoch. «Sie zählen die Leichen und sind nicht wirklich sicher, wer sie sind», sagte einer der Beamten gegenüber der «New York Times».
Al-Jazeera-Reporter berichtet von toten Zivilisten
Die Diskussion über zivile Opfer im Drohnenkrieg der USA ist nicht neu. Bereits im Juli 2011 berichtete «Spiegel online» über den Al-Jazeera-Journalisten Noor Behram. Er fuhr nach US-Angriffen jeweils an den Ort des Geschehens in Nord- und Süd-Waziristan und fotografierte die schrecklichen Szenen. Behram war an den Orten von 70 Drohnenangriffen, hat mehr als 600 Leichen gesehen.
Gegenüber «Spiegel online» sagte er: «Ein amerikanischer Hubschrauber hat ein Hotel angegriffen, in dem sich angeblich Aufständische aufhalten.» Unter den Opfern seien acht Frauen und Mädchen und vier Männer gewesen. Doch über diese Familie stand in den Zeitungsberichten kein Wort. Die Rede war lediglich von getöteten Extremisten.
15 tote Zivilisten auf einen getöteten Extremisten
«Die meisten Menschen werden von amerikanischen Drohnen getötet. Auch da heisst es in den Berichten, es seien so und so viele Militante getötet worden», sagte er. «Ich kann nicht sagen, wie viele Extremisten in Wahrheit getötet wurden. Alles, was ich sagen kann, ist, dass die meisten Opfer keine Militanten sind, sondern Unbeteiligte. Vor allem Frauen und Kinder.» Behram schätzt, dass auf einen getöteten Extremisten etwa 15 tote Zivilisten kommen.
«Spiegel online» kommentierte damals: «In mühevoller Kleinarbeit sind unscharfe, aber doch eindrucksvolle Aufnahmen entstanden. Bilder, die belegen, dass die Angaben der Regierungen der USA und von Pakistan wohl nicht stimmen, nämlich, dass bei den Angriffen so gut wie keine Zivilisten getötet werden.»
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