Staatliche ErmittlungenWarum in China ständig Manager verschwinden
Seit Tagen kann niemand den Investmentbanker Bao Fan erreichen. Es ist nicht das erste Mal, dass ein Milliardär plötzlich unauffindbar ist. Viele von ihnen bereiten ihre Flucht vor – und bringen ihr Vermögen in Sicherheit.

Man stelle sich vor, UBS-Chef Ralph Hamers oder CS-Präsident Axel Lehmann würden einfach verschwinden. Nicht einmal die engsten Mitarbeiter wüssten genau, wo sie sich aufhalten und was sie machen. Von der Öffentlichkeit ganz zu schweigen. Nur einer weiss genau, wo er sich aufhält: der Staat. Solche Szenarien passieren in China mit ziemlicher Regelmässigkeit.
Jüngstes Beispiel ist das Verschwinden des Investmentbankers und Milliardärs Bao Fan. Dieser ist seit vergangener Woche nicht mehr erreichbar, weder für Journalisten noch für die eigenen Mitarbeiter. Die von ihm gegründete Bank China Renaissance betonte zwar, es gebe keine Hinweise darauf, dass sein Verschwinden mit der Firma zu tun habe. Dennoch verlor der Aktienkurs rund 30 Prozent an Wert.
Eine Handvoll wichtiger Manager sind verschwunden
Solche Nachrichten führen in Chinas Wirtschaftswelt zu grosser Nervosität. Schliesslich ist Bao nicht irgendjemand, sondern einer der wichtigsten Finanziers der Internetbranche. Vor der Gründung von China Renaissance 2005 arbeitete er unter anderem bei der Credit Suisse und Morgan Stanley. Der 52-Jährige war an zahlreichen der wichtigsten Deals der grössten chinesischen Techkonzerne beteiligt, seien es Onlinehändler wie JD.com, Meituan oder der Fahrdienstleister Didi.
Es erinnert an das Verschwinden von Alibaba-Gründer Jack Ma 2020, einen der Vorboten des harten Durchgreifens der Staatsführung gegen die boomende Internetwirtschaft. Ma hatte sich zuvor durch kaum verhohlene Regierungskritik unbeliebt gemacht. Nach drei Monaten tauchte er wieder auf. Doch von der lautstarken Persönlichkeit des selbstbewussten Milliardärs war nicht mehr viel übrig. Ma ist jedoch nur der prominenteste Fall: Allein in diesem Monat verschwanden chinesischen Medienberichten zufolge bei einer Handvoll börsennotierter Unternehmen wichtige Manager.
Für Milliardäre wird es in China immer ungemütlicher
Häufig stecken staatliche Ermittlungen dahinter. Bei Bao wird gemutmasst, dass sein Verschwinden mit den Ermittlungen gegen den ehemaligen Renaissance-Präsidenten Cong Lin in Zusammenhang steht. Dieser war vergangenen September von den Behörden festgesetzt worden, die genauen Umstände sind weiter unklar. Renaissance hatte daraufhin seine Verbindungen zu Cong gekappt. Dabei hatte Bao laut dem chinesischen Finanzmedium «Caixin» Cong erst 2020 von der Staatsbank ICBC geholt. ICBC hat enge Geschäftsbeziehungen zu Renaissance.
Chinesische Medien gehen davon aus, dass es bei den Ermittlungen um Interessenkonflikte gehen könnte, dass Cong Bao einige Gefälligkeiten in seiner Zeit bei ICBC erwiesen haben könnte. Im Gegenzug soll ihn der Milliardär mit einem eigens geschaffenen Posten mit Millionengehalt in dessen Bank belohnt haben. Die chinesischen Antikorruptionsbehörden hatten erst im Januar ein schärferes Vorgehen gegen diese als «Drehtür» bezeichnete, weitverbreitete Praxis angekündigt.
Durch die seit gut einem Jahrzehnt anhaltende Antikorruptionskampagne sowie das harte Durchgreifen von Staats- und Parteichef Xi Jinping gegen den einst boomenden Privatsektor wird es in China immer ungemütlicher für Milliardäre. Viele haben in den vergangenen Jahren Teile ihres Vermögens ins Ausland geschafft oder ihren Wohnsitz verlegt. Jack Ma wurde beispielsweise seit seinem Verschwinden öfter ausserhalb als innerhalb Chinas gesehen. Auch Zhang Yiming, der in Ungnade gefallene Gründer von Bytedance, dem Mutterkonzern der Video-App Tiktok, soll in den vergangenen Jahren viel Zeit in Singapur verbracht haben.

Der Inselstaat Singapur ist bekannt als die «Schweiz Asiens» – viele Milliardäre investieren in der Steueroase, oft in Form von sogenannten Family Offices, privaten Vermögensverwaltungen, die oft wenig transparent in Bezug auf ihre Finanzen sind.
In den vergangenen Jahren waren darunter immer mehr Chinesen, die ihr Geld vor dem Zugriff des chinesischen Staats in Sicherheit bringen wollten. Nach Informationen der «Financial Times» hatte auch Bao Ende vergangenen Jahres entsprechende Vorbereitungen getroffen. Für eine eigene Flucht war es zu diesem Zeitpunkt schon zu spät: Laut «Caixin» hatten die Behörden eine Ausreisesperre gegen Bao verhängt.
sz/pauw
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