Warum Kairo 2011 nicht Berlin 1989 ist
Tunesien. Ägypten. Jemen. Der Domino-Effekt der Demokratiebewegung in der arabischen Welt erinnert nicht nur Angela Merkel an die Ereignisse des Wendejahres 1989. Dennoch ist heute vieles anders.
1989 war ein Wendejahr, das den Zerfall des Ostblocks einläutete. Zwei Protagonisten von damals, der ehemalige tschechische Präsident Vaclav Havel und der frühere sowjetische Aussenminister Eduard Schewardnadse, verfolgen das derzeitige Drama gespannt. Sie warnen aber auch: Kairo 2011 muss nicht gleich Berlin 1989 sein.
Sie sorgen sich, dass das Militär die Macht ergreifen könnte, dass religiöse Extremisten die Revolution kapern könnten, dass alles zu schnell oder zu langsam geht. Die Proteste stünden an einem gefährlichen Scheideweg mit unvorhersehbarem Ausgang, sagte Havel der Nachrichtenagentur Associated Press. Nur weil der Aufstand in Osteuropa echten demokratischen Wandel gebracht habe, müsse das nicht auch in Ägypten und anderen Ländern der Region passieren. «Ich muss darauf hinweisen, dass die Situation in den arabischen Ländern ganz anders ist - die Mentalität, Kultur, politische Kultur und Weltsicht», mahnte er.
Er habe gelernt, dass Volkserhebungen gegen tief verwurzelte Herrschaftssysteme rasch Erfolg haben müssten oder Gefahr liefen, in Aggression umzuschlagen - so geschehen in Kairo, als Mubarak-treue Schläger gegen die Protestbewegung vorgingen. Wenn es in Osteuropa länger gedauert hätte, hätte es böse ausgehen können. «Zeit ist ein entscheidender Faktor», sagte Havel. «Je länger es dauert, desto grösser die Gefahr einer viel schlimmeren Diktatur als der Mubaraks.»
«Nicht genau das gleiche»
Wenn die Pattsituation fortdauere, könne das Militär nach der Macht greifen, warnte er. Die beste Lösung wäre es, wenn Mubarak gleich zurückträte und nicht versuche, bis zum Ende seiner Amtszeit im September zu bleiben. Doch Havel hegt auch noch Hoffnung auf einen Durchbruch für die Demokratie. «Das ist ein interessanter Prozess, und wenn er zu einer Art Demokratie führt, einem System, das die Menschenrechte respektiert, keine Wahlen fälscht und so weiter, dann wäre das natürlich eine ungeheuer positive Entwicklung.»
Schewardnadse wandte sich dagegen, Mubarak zum Abgang zu drängen. Der Westen solle den alten Verbündeten den Rest seiner Amtszeit erfüllen lassen. «Ich verstehe die Spitzenpolitiker nicht, die nachdrücklich auf Mubaras Rücktritt bestehen», sagte er. «Eben noch waren sie seine Freunde und arbeiteten mit ihm zusammen. Wenn sie Probleme hatten, fragten sie Mubarak um Rat und hörten auf ihn.»
«Es ist nicht genau das gleiche»
Auch er wandte sich dagegen, allzu viel auf die Parallelen zwischen den Ereignissen im Nahen Osten und in Osteuropa zu geben. «Es ist nicht genau das gleiche», sagte er der AP. «Gleichwohl folgt die Zerschlagung eines jeden Systems manchen allgemeinen Mustern, so dass die derzeitigen Entwicklungen in der arabischen Welt ähnlich aussehen.»
Die gelernte DDR-Bürgerin Merkel fühlte sich durch die Bilder aus Kairo deutlich an das Wendejahr 1989 erinnert, wie sie am Wochenende auf der Münchner Sicherheitskonferenz bekannte: an die friedliche Revolution und an die Menschen, die ihre Angst abschütteln. Und aus Erfahrung gibt sie auch den guten Rat, den Ägyptern nicht dreinreden zu wollen. Von aussen könne man nur Angebote machen und Hilfestellung geben. Doch die Menschen in Ägypten warteten nicht darauf, dass irgend jemand ihnen sage, was sie zu denken hätten. «Wenn zu uns westdeutsche Berater kamen, und der Ton war falsch, haben wir uns auf dem Hacken herumgedreht.»
dapd/Gregory Katz/bru
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