In eigener SacheWarum wir den Namen des Entführten nennen
Im Fall von Christoph Berger verschwand der Name des Impfchefs aus der Berichterstattung – und tauchte wenig später wieder auf. Was hinter den Kulissen geschah.

Vielleicht haben Sie am letzten Freitag unsere Website besucht und einen ausführlichen Text über den Entführungsfall Wallisellen gelesen. Sie erfuhren darin, dass ein 38-jähriger Täter am 31. März Christoph Berger entführt hatte, den Präsidenten der eidgenössischen Impfkommission. Der Zürcher Arzt war über eine Stunde lang in der Gewalt des Täters, der eine Woche später bei einer Festnahme in Wallisellen erschossen wurde.
Kurz nach Publikation verschwand unser Text am Freitag wieder von der Website, und später am Abend erschien ein neuer, viel kürzerer Artikel ohne den Namen von Berger. Auch in unserer gedruckten Zeitung vom Samstag fehlte der Name, wir schrieben nur noch von einer «national bekannten Person». Am Sonntag dann eine erneute Wende, der Name Christoph Berger tauchte wieder auf unseren Plattformen auf. Wir möchten Ihnen hier aufzeigen, wie das kam – und warum es uns geboten erscheint, in diesem Fall den Namen des Opfers zu nennen.
Unsere Redaktion erfuhr am Donnerstagabend, dass Christoph Berger das Opfer des Entführers von Wallisellen gewesen war. Im Zuge dessen standen wir mit Herrn Bergers Sprecher in Kontakt. Der liess uns wissen, dass Herr Berger keine Berichterstattung über seine Person wünsche.
Daraufhin trat am Freitag zweimal eine erweiterte Chefredaktion zusammen, um unter Beteiligung unseres Hausanwalts die medienethischen und medienrechtlichen Aspekte des Falls zu diskutieren. Die Debatte verlief durchaus kontrovers: Allen im Raum war klar, dass Christoph Berger, der in den letzten zwei Jahren als (nebenberuflicher!) Präsident der Impfkommission eine enorme Leistung vollbracht hat, nochmals exponiert würde.
Aus diesen Gründen entschieden wir uns, unsere Recherche zu publizieren. Wir sahen und sehen uns gegenüber unserer Leserschaft dazu verpflichtet.
Kurz nach der Publikation erreichte uns am Freitagabend ein Entscheid des Zürcher Bezirksgerichts, eine sogenannte superprovisorische Verfügung, die von Christoph Berger und seinem Anwalt verlangt worden war. Es handelt sich um ein juristisches Mittel, mit dem Gesuchsteller ein Verbot erwirken können, bevor die andere Seite – also die Redaktion – angehört wird.
Der Entscheid verbot unserem Medium, Christoph Bergers Name oder andere «identifizierende Merkmale» in Berichten über die Entführung zu nennen. Wir entfernten daraufhin unseren Artikel aus dem Netz und löschten die dazugehörigen Posts auf den sozialen Medien. Stattdessen publizierten wir einen neuen Artikel – ohne Namen und Funktion. Wir versuchten, um die Verfügung «herum zu schreiben», Ihnen also so gut wie möglich zu berichten, was Sache ist, ohne die Auflagen zu verletzen.
(Lesen Sie hier mehr über die Problematik der superprovisorischen Verfügungen.)
Am Sonntagnachmittag erreichte uns dann eine Stellungnahme von Christoph Berger an verschiedene Medien. Sein Name war inzwischen auch in anderen Medien aufgetaucht. Die NZZ entschied sich zum Beispiel, den Namen zu nennen. Ebenso das Onlinemedium Watson.
Berger liess uns dann via seinen Sprecher mitteilen, dass auch wir nun seinen Namen schreiben könnten, bat uns aber um Zurückhaltung. Gleichzeitig wurde uns in Aussicht gestellt, dass Berger sein Gesuch beim Gericht zurückziehen werde. Was er am Montag dann auch getan hat.
Damit können wir uns nun auf unsere Kernaufgabe konzentrieren: Licht in den Fall Wallisellen zu bringen. Und zu verstehen, ob es sich bei der Entführung des Pandemiemanagers Berger um einen Einzelfall handelt – oder ob systemische Probleme vorliegen, die auch die Sicherheit von anderen Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung gefährden.
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