
Fast jeder Bericht aus der Medizin und ihren Randbereichen endet mit dem Hinweis auf die erfolgreiche Bekämpfung des Leidens und die Erhöhung der Lebenserwartung. An anderer Stelle höre und lese ich von Pflegekosten, die exorbitant steigen, von Altersdepression und -suizid. Da frage ich mich: Wollen wir denn wirklich immer mehr Lebenserwartung? S. E.
Liebe Frau E.
Die Lebenserwartung ist ein statistischer Wert, der angibt, wie viele Lebensjahre ein Angehöriger eines Geburtsjahrgangs durchschnittlich noch zu leben hat. Und damit allenfalls sehr indirekt ein Indikator für das, was «wir wollen». Was man zudem leicht vergisst, ist, dass dieser Wert nicht allein und vor allem dadurch bestimmt wird (um es mit einem beliebten Klischee zu formulieren), wie lange es die seelenlose Spitzenmedizin schafft, auch einen 95-Jährigen nach einer sinnlosen Herztransplantation auf Kosten der Allgemeinheit noch am Leben zu erhalten (selbstverständlich, denn so will es das Klischee, mit zahllosen Schläuchen an teure Maschinen angeschlossen).
Auch die drastische Senkung der Säuglingssterblichkeit in den letzten 100 Jahren hat zum beachtlichen Anstieg der Lebenserwartung in den letzten Jahrzehnten beigetragen. Und, last, but not least, korreliert die stetig steigende Kurve der Lebenserwartung ziemlich gut mit der besseren Ernährung, der besseren allgemeinen Gesundheitsvorsorge und einem guten Zugang zu medizinischer Versorgung, mit erfolgreichen Impfaktionen, guten Arbeitsschutzgesetzen, Fortschritten in der Neonatologie und regelmässigen Untersuchungen von Kleinkindern – also mit Errungenschaften, die nichts mit dem Schreckgespenst einer Medizin zu tun haben, die am natürlichen Lebensende mit aller Macht und für viel Geld noch ein bisschen Leben aus den moribunden Organen herauszuquetschen versucht.
Ich weiss nicht, was Sie wollen; ich nehme gerne die höhere Lebenserwartung und gönne sie meinen Mitmenschen von ganzem Herzen. Auch den Dementen und Kranken.
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Warum wollen wir so lange leben?
Die zunehmende Lebenserwartung führt vorwiegend zu exorbitant steigenden Pflegekosten und Altersdepressionen.