Warum zahlen Roboter eigentlich keine Steuern?
Der Kampf um Arbeitsplätze hat ein neues Duell: Mensch gegen Maschine. Doch es gibt eine mögliche Antwort auf dieses Dilemma.

Die technische Arbeitslosigkeit gehört zu den Grundängsten der industrialisierten Gesellschaft: der menschliche Arbeiter, der von der Technik verdrängt wird. Maschinen steigern den Profit. Sie sind produktiver, effizienter, stellen keine Lohnforderungen und äussern auch sonst keine dreisten Begehrlichkeiten. Spätestens mit der Erfindung des Webstuhls war das Duell lanciert: Mensch gegen Maschine. Heute heisst es vielerorts: Mensch gegen Roboter.
Ein aktuelles Papier der Credit Suisse (CS) befasst sich mit genau diesem Thema. Darin hebt der Autor den marktwirtschaftlichen Nutzen der mechanischen Freunde mittels Zahlen hervor. Die Arbeitsstunde eines durchschnittlichen Industrieroboters kostet demnach 4,50 Dollar pro Stunde (4,47 Franken). Die Angaben der CS basieren auf Erhebungen der amerikanischen Robotics Industry Association (RIA) brillieren. Der Fokus liegt auf Firmen in den USA.
Auf die Schweiz übertragen, kommt es zum folgenden, für den Menschen vernichtenden Vergleich: Hierzulande erhält kaum eine Person weniger als 20 Franken pro Stunde. Dies auch unter dem Umstand, dass es nach wie vor keinen flächendeckenden Mindestlohn gibt. Selbst wenn der Mensch die 20 Franken unterschreitet, hat er als günstige Arbeitskraft längst ausgedient – sofern ein Roboter dieselbe Tätigkeit übernehmen kann.
Zwei Wochen «Ferien» für Roboter
Roboter brillieren auch punkto Ausdauer: Die Arbeitstage einer Maschine dauern durchschnittlich 16 Stunden während 5 Tagen in der Woche. Zum Vergleich: Der Schweizer Vollzeitbeschäftigte rackerte sich 2015 durchschnittlich 41 Stunden ab, bei einem gesetzlichen Maximum von 45 Stunden. Mindestens vier Wochen im Jahr leistet der Mensch gar nichts: Dann zieht er die Ferien ein, die ihm per Gesetz zustehen. Auch der Roboter pausiert. Allerdings nur zwei Wochen im Jahr. Die verbringt er an einem wenig romantischen Ort: im Wartungsraum, gemeinsam mit Technikern, die an ihm herumschrauben.
Im Kampf um die Arbeitsplätze sind die Fakten eindeutig: Der Mensch zieht den Kürzeren. Weil die Roboter immer intelligenter werden, beschränken sie ihr Dasein nicht nur auf monotone Tätigkeiten, sondern drängen in komplexere Berufsfelder vor. Kürzlich kamen zwei Schweizer Studien zum Schluss, dass 30'000 bis 100'000 KV-Jobs durch Digitalisierung und Softwareroboter gefährdet sind.
Fiktives Gehalt für Roboter
Umstritten ist, ob auch die breite Bevölkerung von der rasanten Entwicklung der Robotik profitiert. Arbeiter werden durch Roboter ersetzt. Dadurch bezahlen sie weniger Steuern. Der öffentlichen Hand geht Geld verloren, das sie zum Wohl der Gesellschaft reinvestieren könnte. Auch die Defizite bei den Sozialversicherungen scheinen vorprogrammiert.
Als mögliche Antwort wird immer häufiger die Robotersteuer genannt. Die Idee, dass die Maschine dem Menschen nicht nur die Arbeit, sondern indirekt auch das Steuernzahlen abnehmen soll. Genauer: Die Besitzer sollen auf die Arbeiten und Dienstleistungen ihrer Maschinen eine Steuer entrichten, findet beispielsweise Xavier Oberson. Im Januar verlieh der Rechtsanwalt und Professor für Steuerrecht an der Universität Genf dieser Idee in einem NZZ-Kommentar Nachdruck: «Ausgehend von der Prämisse, dass ein Roboter einen Arbeitnehmer ersetzt, könnte man zum Beispiel ein fiktives Gehalt annehmen, auf das dann eine Art Einkommenssteuer erhoben würde.»
Seiner Ansicht nach wäre die Einführung einer Robotersteuer aus rechtlicher Sicht gerechtfertigt. Bereits vor mehr als einem Jahrhundert habe der Gesetzgeber einen Präzedenzfall geschaffen: Mit der Einführung einer Rechtspersönlichkeit für Unternehmen. «In der Schweiz gibt es auch eine Steuerpersönlichkeit für spezifische Anlagefonds mit direktem Grundbesitz», schreibt Oberson.
Debatte in Österreich und Deutschland weiter
Der Schweizer Jürgen Schmidhuber, einer der weltweit führenden Forscher zu künstlicher Intelligenz, teilt diese Ansicht: «Roboterbesitzer werden Steuern bezahlen müssen, um die Mitglieder unserer Gesellschaft zu ernähren, die keine existenziell notwendigen Jobs mehr ausüben.» Schon heute würden Menschen vor allem «Luxusberufe» wie Reporter oder Wissenschaftler ausüben, die nicht überlebensnotwendig seien, sagt der wissenschaftliche Direktor des Schweizerischen Labors für Künstliche Intelligenz (IDSIA) in Lugano.
In Deutschland und Österreich geht die Idee schon über die wissenschaftliche Debatte hinaus und beschäftigt Politik und Wirtschaft. Der österreichische Bundeskanzler Christian Kern äussert sich schon seit Anfang 2016 für eine Maschinensteuer. Frank Appel, der Chef der Deutschen Post, plädiert für dasselbe («man sollte das zumindest mal durchdenken.»).
Die Robotersteuer sieht sich jedoch einer breiten Kritikerfront ausgesetzt. Die Debatte verläuft ähnlich wie beim bedingungslosen Grundeinkommen: nett gemeint, aber unrealistisch – so der Duktus. Der deutsche Finanzwissenschaftler Bernd Raffelhüschen etwa sieht darin einen Innovationshemmer: «Den technischen Fortschritt auszubremsen, um Arbeitnehmer zu beschützen, wird über kurz oder lang nicht funktionieren.» So sagte einst Lyndon B. Johnson, der 36. Präsident der USA: «Die Automatisierung ist nicht unser Feind. Unsere Feinde sind Unwissenheit, Gleichgültigkeit und Trägheit.»
Maschinen, die für Menschen arbeiten
Der Ökonom John Maynard Keynes sah derlei Szenarien schon früh voraus. 1930 schrieb er in einem Aufsatz, dass bis 2030 die Maschinen so viel Arbeit erledigen würden, dass dem Menschen nur noch eine wöchentliche Arbeitszeit von 15 Stunden übrig bleibt. Doch der Brite war Optimist und formulierte die Entwicklung als Chance. Als verheissungsvolle Aussicht, dass der Mensch die gewonnene Zeit in Freizeit und Vergnügen verbringen wird, während die Maschine in seinem Dienste weiterrattert. Und nun? Es stellt sich die Frage, ob Keynes sein Urteil revidieren würde.
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