Was dem Zürcher Stromnetz zu schaffen macht
Trotz spektakulärer Blackouts ist die Stromversorgung in der Stadt Zürich vergleichsweise zuverlässig. Aber es gibt etwas, was den Fachleuten Sorgen bereitet.

Als der Strom in der Zürcher Innenstadt am Mittwochabend ausfiel, dachten einige: Nicht schon wieder! Ein Déjà-vu hatten vor allem Pendler im Hauptbahnhof, wo es erst Mitte Dezember schon einmal plötzlich dunkel geworden war. Ist Zürich die Stadt des Lichterlöschens? Aktuelle Zahlen des Elektrizitätswerks EWZ zeigen: Die Stromversorgung ist in den letzten Jahren tatsächlich etwas unzuverlässiger geworden, dies aber auf hohem Niveau. Im Vergleich mit anderen Gemeinden steht Zürich immer noch gut da.
Der für die Wahrnehmung wesentliche Unterschied zu einem Dorf auf dem Land ist: Wenn es dort zum Kurzschluss kommt, macht das in der Regel keine Schlagzeilen. Kommt es dagegen mitten in der Stadt zu einem grossflächigen Blackout, erfahren das sofort Zehntausende – und es wird zum Thema in den Medien. Besonders, wenn es zur Rushhour um den Bahnhof passiert wie gestern. Die Stichworte «Stromausfall Zürich» gehörten bei Google Schweiz sofort zu den meistgesuchten Begriffen. Dieser Effekt zeigte sich bereits bei den aufsehenerregenden Stromausfällen von 2015, 2016 und 2017.
Neuneinhalb Minuten – so lange war der durchschnittliche EWZ-Kunde zuletzt pro Jahr ohne Strom.
Die Aufregung steht im Kontrast zu einem anderen Wert: Neuneinhalb Minuten – so lange war der durchschnittliche EWZ-Kunde zuletzt pro Jahr ohne Strom. Wobei Durchschnitt natürlich bedeutet: Manche sassen länger im Dunkeln, andere gar nicht. Dieser sogenannte Saidi-Wert wird international verwendet, um die Zuverlässigkeit von Stromnetzen zu messen. In den Städten Winterthur und Uster lag er in den letzten Jahren unter neun Minuten, was etwas besser ist als in Zürich; über die gesamte Schweiz betrachtet, lag der Saidi-Wert hingegen bei elfeinhalb Minuten und damit höher.
Von den 137 Stromausfällen, zu denen es in Zürich letztes Jahr kam, waren die meisten nur kleinere Ereignisse. Manchmal war bloss eine einzige Liegenschaft betroffen. Zudem sind lange Unterbrüche in der Stadt weniger wahrscheinlich als anderswo. Dies, weil das Netz des EWZ redundant aufgebaut ist: Erstens verfügt es über mehrere Zuleitungen, zweitens sind die 14 Unterwerke so über die Stadt verteilt, dass der Strom rasch über einen anderen Verteilknoten umgeleitet werden kann, wenn mal einer ausfällt. Wenn dagegen in einer Landgemeinde die einzige Zuleitung ausfällt, kann ein Blackout Stunden dauern. So geschehen zum Beispiel in Stäfa, als vor einem Jahr wegen Sturm Burglind Bäume auf eine Hochspannungsleitung kippten.
Allerdings hat die Zuverlässigkeit des Stadtzürcher Netzes im letzten Jahrzehnt messbar nachgelassen. Der Saidi-Wert ist von fünfeinhalb Minuten auf fast zehn gestiegen. Einmal lag er sogar drüber, womit das EWZ die eigene Zielvorgabe knapp verfehlte.
Beim Stromversorger führt man diese unerfreuliche Entwicklung auf die rege Bautätigkeit in der Stadt zurück. Bis 2015 ging etwa die Hälfte aller Unterbrechungen aufs Konto von Bauunternehmungen, die zum Beispiel beim Graben eine Leitung durchtrennten.
Das EWZ verstärkte seither seine Informationskampagnen und kündigte zugleich an, konsequenter gegen die Verursacher vorzugehen. Als unvorsichtige Bauarbeiter vor ein paar Jahren ein ganzes Quartier für viele Stunden lahmlegten, zog das Unternehmen diese mit Erfolg vor Gericht. Das hat sich in der Branche herumgesprochen, der Anteil der so verursachten Stromunterbrüche geht zurück. Heute liegt er bei 40 Prozent, was laut EWZ-Mediensprecher Harry Graf immer noch viel ist.
Allerdings: Die schlagzeilenträchtigen, flächendeckenden Stromausfälle der vergangenen Jahre, die auch statistisch ins Gewicht fallen, waren selten auf Bauarbeiten zurückzuführen. Die Ursachen waren einerseits Eichhörnchen, Siebenschläfer und Brombeerstaude, die viel Gesprächsstoff lieferten. Andererseits waren es technische Defekte. Der zweithäufigste Grund für Stromausfälle in der Stadt ist denn auch eher banal: Materialermüdung.
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