
Kann etwas, was schon im Namen «gut» trägt, schlecht sein? Nein, die Guten Dienste sind per Definition eine gute Sache. So gut, dass dabei gar nicht klar sein muss, was sie sind.
Klar ist hingegen ihre Güte: Sie liefern einen breiten innenpolitischen Konsens im hoch umstrittenen Feld der Aussenpolitik. Die jährliche Sicherheitsstudie der ETHZ zeigt den schwindelerregenden Prozentsatz von 96 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer, die sich für die Beibehaltung der Neutralität aussprechen. Neutralität und Gute Dienste sind offensichtlich ein symbiotisches Begriffspaar.
Der Begriff Gute Dienste ist offensichtlich ein Helvetismus.
Unter dem Schlagwort Gute Dienste werden eine Vielzahl von Aktivitäten gebündelt, die als Beitrag zur Konfliktlösung erbracht werden. Dies reicht von der Zurverfügungstellung von Infrastruktur über die Gastgeberrolle für internationale Organisationen oder bei internationalen Konferenzen, die zivile Friedensförderung bis zur Übernahme von internationalen Mandaten oder klassischen Schutzmachtmandaten.
In der internationalen Debatte werden diese Bereiche differenziert diskutiert und kaum pauschal zu Guten Diensten verwischt. Obschon die Instrumente im Völkerrecht verankert sind, ist der Begriff also offensichtlich ein Helvetismus.
Wikipedia führt ihn nebst Ungarisch und Russisch nur auf Deutsch. Google verweist überwiegend auf Links schweizerischer Provenienz. Noch auffallender ist, dass die Beiträge zu Bedeutung und Geschichte der Guten Dienste fast ausschliesslich von Schweizer Diplomaten stammen.
Der Artikel im Historischen Lexikon der Schweiz stammt aus der Feder von Alt-Staatssekretär Raymond Probst, eine Genfer Studie entstand unter der Leitung von Alt-Staatssekretär Franz Blankart. Ansonsten landet man rasch auf der Webseite des EDA.
Wieso? In seiner Entstehung wurde der Bundesstaat – etwas pointiert formuliert – vierfach neutralisiert: von den europäischen Mächten auf dem Wiener Kongress 1815, von den Kantonen mit dem Föderalismus 1848, vom Volk mit der direkten Demokratie und schliesslich noch durch das Kollegialitätsprinzip im Bundesrat.
Diese weitgehende Machtteilung lähmt die aussenpolitische Entscheidungsfindung. Das hat gerade die Europadebatte wieder eindrücklich gezeigt. Es erstaunt also nicht, dass mit den Begriffen Neutralität und Gute Dienste als Ersatz für «Aussenpolitik» von Fall zu Fall Einigkeit über aussenpolitische Tätigkeiten geschaffen wird.
Bei kluger Auslegung waren die Guten Dienste sogar ein gutes Geschäft. Die Schweiz profilierte sich im 19. Jahrhundert als Sitz internationaler Organisationen: Die Kosten wurden internationalisiert, die Direktoren von der Schweiz gestellt. Die Schutzmachtmandate im Ersten und im Zweiten Weltkrieg ermöglichten erst die Professionalisierung des diplomatischen Apparates, die Rechnung zahlten die Mandanten.
Für einmal herrscht Eintracht in der Aussenpolitik, die Presse berichtet, Zeitzeugen und Futurologen stellen luftige Prognosen.
Gefahren als Gastgeber sind kalkulierbar, aber nicht ganz auszuschliessen – wie etwa 1990, als sich in Genf George Bush Senior und Hafiz al-Assad trafen. Einige Zwischenfälle führten zu diplomatischer Verstimmung und schlechter Presse in den USA.

Nach Reagan und Gorbatschow 1985 kommen nun Biden und Putin. Freuen wir uns über diesen neuen Triumph der Guten Dienste. Zwar fehlt uns immer noch eine kritische Geschichtsschreibung zu deren Verständnis, aber für einen Augenblick ist die aussenpolitische Blockade der Schweiz überwunden.
Fehler gefunden?Jetzt melden.
Gastkommentar zum Gipfel in Genf – Was die Guten Dienste so gut macht
Die Guten Dienste sind eine Zauberformel für Einigkeit und Einträchtigkeit in der Schweizer Aussenpolitik. Und sie können ein gutes Geschäft sein.