Bei der Schweizerischen Volkspartei reibt man sich wohl verwundert die Augen. In den Medien dominieren die drei Themen, mit denen die SVP gross geworden ist: EU, Ausländergewalt und Asyl. Doch ausgerechnet die SVP selbst spielt in keiner der Debatten eine Rolle. Teilweise haben die politischen und publizistischen Gegner ihre Positionen sogar mir nichts, dir nichts einfach übernommen.
Zur spektakulärsten Verbrüderung kam es im EU-Dossier. Nachdem die Linken bei Zuwanderungs- oder Ausschaffungsfragen nie ein Problem damit gehabt haben, das EU-Recht höher zu gewichten als das schweizerische – machen sie beim Lohnschutz jetzt plötzlich auf Nationalismus. Augenscheinlich haben sie gemerkt, dass beim Abschluss eines Rahmenabkommens künftig die EU das Sagen hätte. Die frühere SP- Aussenministerin Micheline Calmy-Rey sagte: «Das Schweizer Recht schützt besser als das Europäische.» Knackiger hätte es auch Christoph Blocher nicht formulieren können.
Ähnlich Verblüffendes zeigte sich auch bei der Ausländergewalt, angefangen beim «Blick», der das heikle Thema früher im Giftschrank gelagert hatte und bisher nie durch besondere SVP-Nähe aufgefallen war. Nach den Vorfällen vom letzten Wochenende – im Genfer Nachtleben und an der Street Parade wurden mehrere Frauen von Maghrebinern und Tamilen spitalreif geschlagen – lupfte es einigen Redaktorinnen aber den Hut. Mit geballter Frauenpower fuhren sie eine gross angelegte Kampagne gegen ausländische Gewalttäter und linke Politikerinnen, die nichts auf der Welt lieber verschweigen als ausländische Gewalttäter.
«Der Erfolg hat die SVP in ihren Kernthemen fast schon überflüssig gemacht.»
Und schon kam es zum nächsten SVP-Moment, bei dem die SVP überhaupt keine Rolle mehr spielte: Statt wie bisher bloss zusätzliche Gelder zu fordern, die eigene Sozialindustrie zu loben und weitere Symptombekämpfung zu propagieren, rangen sich einige Sozialdemokratinnen dazu durch, eines der Hauptprobleme bei der Gewalt gegen Frauen zum ersten Mal überhaupt beim Namen zu nennen: die Zuwanderung junger Männer aus patriarchalisch geprägten Ländern. Ein Vorgang, der innerhalb der SP einem Tabubruch gleichkam. Vergleichbar in etwa damit, dass SVP-Nationalrat Andreas Glarner sich öffentlich für die Homo-Ehe begeistern würde.
In der Asylpolitik sind die Ansichten der Volkspartei längst schon salonfähig geworden, europaweit. Forderungen nach rigorosen Einwanderungskontrollen oder erzwungenen Rückschaffungen, mit denen die SVP früher noch zuverlässig für Schlagzeilen und Empörung sorgen konnte, gelten heute bis weit ins links-grüne Milieu hinein als vernünftige Realpolitik – und reissen aufmerksamkeitstechnisch niemanden mehr vom Hocker.
Ein Jahr vor den Wahlen schwebt die grösste Partei des Landes im luftleeren Raum. Der Erfolg hat die SVP in ihren Kernthemen fast schon überflüssig gemacht. Parteivater Christoph Blocher habe «seine politischen Geschäfte im letzten Jahr abgewickelt», heisst es in der aktuellen «Weltwoche». «Wenn alle anderen die SVP kopieren, braucht es die SVP nicht mehr», hat er früher einmal gesagt. Vielleicht ist das, was Blocher als Scherz gemeint hatte, doch plötzlich wahr geworden.
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Was macht eigentlich die SVP?
EU, Ausländergewalt, Asyl: In den Medien dominieren die Kernthemen der Volkspartei. Doch die grösste Partei des Landes spielt dabei keine Rolle.