Corona-Pressekonferenz am Freitag«... dann hätten wir in zwei Wochen 12'000 positive Fälle»
Der Ton in Sachen Corona verschärft sich: Die Taskforce empfiehlt flächendeckend und ab sofort Homeoffice sowie Maskentragen in Innenräumen.
Zum Nachschauen: Die Pressekonferenz im Videostream.
Das Wichtigste in Kürze:
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) meldete am Freitag 3105 laborbestätigte Neuinfektionen.
Wegen der akuten Lage berät heute Bundesrat Berset mit den Kantonen.
An der Fach-Pressekonferenz sagt Martin Ackermann von der Wissenschafts-Taskforce: «Die stark steigenden Corona-Fallzahlen sind ein Schock»
Die Corona-Taskforce empfiehlt flächendeckend und ab sofort wo möglich: Homeoffice sowie Maskentragen in Innenräumen.
Der oberste Kantonsarzt Rudolf Hauri bittet die Bevölkerung, beim Contact-Tracing mitzuhelfen.
Ackermann rechnet vor: Wenn man nicht rasch handle, dann könnten es in zwei Wochen bereits 12'000 Fälle pro Tag sein.
An der heutigen Pressekonferenz zur Corona-Lage in der Schweiz lassen vor allem die Aussagen des Leiters der wissenschaftlichen Taskforce aufhorchen. Martin Ackermann plädiert für strengere Massnahmen, die so schnell wie möglich umgesetzt werden müssten. Er empfiehlt flächendeckend und ab sofort wo möglich: Homeoffice sowie Maskentragen in Innenräumen. Anzahl und Grösse von Veranstaltungen müssten reduziert werden.
«Die Zahlen sind ein Schock, aber auch eine Chance, nun schnell zu reagieren», sagt Ackermann am Freitag in Bern.
Auch wenn in einer Woche neue Massnahmen in Kraft treten würden, würden die Fallzahlen und die Zahlen der Hospitalisierungen heute in zwei Wochen um den Faktor vier steigen, sagt er weiter. Das bedeutet in zwei Wochen würden 12'000 Fälle gezählt.
Wann das Gesundheitssystem in der Schweiz an seine Grenzen stösst, kann Ackermann allerdings nicht sagen. Er habe diese Zahlen nicht zur Hand. Aber das Coronavirus sei so gefährlich wie bei der ersten Welle. «Wir sehen keine Evidenz, dass sich das Virus in einer Art und Weise verändert hat, dass es weniger gefährlich wäre.» Aber man wisse mehr als im Frühling.
Der starke Anstieg der Zahlen erkläre sich die Taskforce mit dem kälteren Wetter und der Tatsache, dass sich die Menschen nun wieder vermehrt in Innenräumen aufhalten würden.
Die Pressekonferenz ist beendet.
«Das werden wir erst nachträglich sagen können», sagt Masserey.
Ackermann sagt: «Da habe ich keine wissenschaftliche Perspektive dazu.» Man wisse aber derzeit deutlich mehr als im Frühling und arbeite intensiv an der Suche nach einem Impfstoff.
Wäre es nicht möglich, die Regelungen unter den Kantonen miteinander abzugleichen, fragt ein Journalist. Das würde die Situation für die Bevölkerung einfacher machen.
Hauri stimmt zu. Das sei aber unser föderalistisches System. Die Risikobeurteilung in den Kantonen sei zudem nicht immer gleich.
In diesem Moment kommt die Meldung der kantonalen Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK): Sie fordert den Bund auf, in diesem und weiteren Bereichen einheitliche Regeln zu schaffen und durchzusetzen.
Die Kantone fordern konkret eine allgemeine Maskenpflicht in öffentlich zugänglichen Innenräumen, die Beschränkung von privaten und öffentlichen Versammlungen und eine Empfehlung zum Homeoffice, wo immer dies möglich ist. Höchstzahlen hätten sicherzustellen, dass das normale Familien- und Freundesleben weiterhin möglich bleibe, heisst es in der Mitteilung.
Hauri: «Es wäre denkbar, dass zwar die Zahl der Hospitalisationen ansteige, es aber weniger schwere Verläufe gibt.» Man wisse das aber schlicht noch nicht genau.
Es gebe eine Zusammenarbeit zwischen den Spitälern und man könnte etwa Patientinnen und Patienten innerhalb der Schweiz verlegen, sollte sich das Virus in einer Region besonders stark verbreiten.
Ackermann: «Es gibt keine Evidenz dafür, dass das Virus weniger gefährlich wird.»
Die Schweiz habe sehr schnell Massnahmen gelockert – deutlich schneller als andere europäische Länder. Man müsse jetzt besonders aufpassen, sagt Ackermann.

Es gebe neue Evidenzen zur Rolle von Aerosolen bei Ansteckungen. Man untersuche diese derzeit und wolle so schnell wie möglich Ergebnisse vorlegen, sagt Ackermann.
Ackerman sagt: «Wir sind eine Stimme unter vielen, aber wir werden gehört.»
Es seien derzeit einzelne Zivilschützer und Zivieldienstleistende im Einsatz. Sie würden aber Ausbildung benötigen und müssten aufgrund der Beschränkung ihrer Dienstzeit immer wieder ausgewechselt werden, sagt Hauri.
Hauri sagt, man stelle sich solche Fragen. Sie würden derzeit überprüft.

«Wir haben mehrfach an die Kantone und appelliert, Vorräte von Masken anzulegen», sagt Masserey. Ob solche Vorräte aber tatsächlich vorhanden seien, wisse sie nicht. Das müsse man die Kantone fragen.
Das BAG hat im Frühling Grosseltern geraten, nicht auf ihre Enkelkinder aufzupassen, da sie sich so anstecken könnten. Jetzt beantwortet Masserey eine Frage, ob eine solche Empfehlung wieder komme mit: «Wer in Gefahr ist, sollte sich schützen.» Die Verantwortung liege beim Einzelnen.
Man erwarte, dass Anfang 2021 in der Schweiz ein Impfstoff zur Verfügung stehe. Sie könne aber derzeit noch nichts Genaueres dazu sagen, sagt Masserey.
Die Situation beim Contact-Tracing sei unter Kontrolle, aber es hinke, sagt Hauri.
Masserey sagt, man kenne die Zahlen am Wochenende. Man werde sie aber nicht kommunizieren.
Wieso war das BAG vom neuen Anstieg überrascht. Zeigt das nicht, dass man Covid-19 unterschätzt hat, fragt ein Journalist.
Ackermann antwortet, man sehe vor allem das Wetter als Faktor, der zum starken Anstieg der Fallzahlen führe. Die aktuelle Situation mache es nun allen viel bewusster, das man mehr zusammenarbeiten müsse.
Der Journalist stellt die Frage nun an Hauri. Bedeute das nicht, dass jemand versagt habe?
Hauri sagt, man habe das Virus im Sommer lockerer angesehen. Jetzt stelle man aber fest, dass es sich auch im kleinen Rahmen schnell ausbreiten könne.
Nun kommen die Fragen der Journalistinnen und Journalisten.
Wann käme das Gesundheitssystem an den Anschlag, fragt eine Journalistin. Sowohl Ackermann als auch Masserey können diese Frage nicht direkt beantworten.
Der Task-Force-Chef warnt aber: «Wenn wir nicht schnell handeln, haben wir in zwei Wochen 12'000 Fälle pro Tag.»

Laut Boris Zürcher, Leiter der Direktion für Arbeit beim Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), sind die Massnahmen zur Unterstützung der Wirtschaft bekannt und könnten mit den vorhandenen gesetzlichen Grundlagen reaktiviert werden. Die günstigste Variante sei jedoch, die Pandemie in den Griff zu kriegen.
Der Bund habe bisher 7,7 Milliarden Franken Kurzarbeitsentschädigung für 238 Millionen Ausfallstunden ausbezahlt. In der Hochphase hätten sich 1,3 Millionen Angestellte in Kurzarbeit befunden, sagte Zürcher.
Die 7,7 Milliarden Franken bezeichnete Zürcher als «Schadensbilanz». Der Einbruch des Bruttoinlandprodukt in diesem Jahr sei «massiv», sagt Zürcher weiter.
Die Kompetenz, Massnahmen zur Unterstützung der Wirtschaft zu ergreifen, liege derzeit bei den Kantonen. Aufgrund der Absprache mit den Sozialpartnern sei für die Umsetzung jedoch mit bis zu zwei Monaten zu rechnen. Anders sähe es aus, wenn wieder die ausserordentliche Lage ausgerufen werde, so Zürcher.

Rudolf Hauri, der Präsident der Vereinigung der Kantonsärztinnen und Kantonsärzte, sagt, viele Ansteckungen würden in der Familie und im Amateursport passieren. Es würden sich viele kleine Cluster ausbreiten, die zu immer grösseren Fallzahlen führen. «Kleinvieh macht auch Mist.»
Das Contact-Tracing schaffe es nicht, die Kontakte aller Infizierten zu kontaktieren. Es sei deshalb wichtig, dass solche ihre Kontakte selbst kontaktieren.
Man müsse mit der Wissenschaft zusammenarbeiten, um herauszufinden, wo man Massnahmen umsetzen könne. «Homeoffice ist ein gutes Stichwort.»
Zudem könnten auch Einschränkungen bei Veranstaltungen und Hygienemasken eine wichtige Rolle spielen.
Man wisse aber jetzt, dass die Spitäler besser vorbereitet seien, als sie es im Frühling waren. Das stimme zuversichtlich.

cpm/sda/red
Fehler gefunden?Jetzt melden.