Für den Chef der spanischen Sozialisten (PSOE), Pedro Sánchez, war es eine unverhoffte Chance: Bislang war er als Oppositionsführer in Madrid blass und glücklos, die traditionsreiche Partei konnte unter seiner Führung nur noch ein Fünftel der Wähler hinter sich bringen. Doch ein Gerichtsurteil gab ihm nun die Möglichkeit zu einem entscheidenden Schlag gegen seinen alten Widersacher, den konservativen Premierminister Mariano Rajoy. Ein Gericht befand nämlich, dass die von Rajoy geführte Volkspartei (der Partido Popular oder PP) aktiv an einem dichten Korruptionsnetzwerk beteiligt war, und verurteilte sie zu einer Geldbusse von 245'000 Euro. Das war für die Partei und ihren Chef Rajoy eine beispiellose Schmach.
«Die Umfragen sprechen eher für die Bürgerlichen.»
So muss Rajoy, der bei seinen Landsleuten zunehmend unbeliebt war, nach sieben Jahren abtreten. Zwar hat er das Land mit einem strikten Sparprogramm aus der tiefen Krise geführt, in die das Land wegen einer irrationalen Wirtschaftspolitik des Sozialisten José Luis Zapatero geraten war. Während Rajoys Regierungszeit sank die Arbeitslosigkeit von 27 auf 15 Prozent. Mit seinem Kurs war er der wichtigste Verbündete der deutschen Bundesregierung in Südeuropa. Er hat erfolgreich mehrere Versuche abgeblockt, innerhalb der Europäischen Union eine gemeinsame Front der «Südländer» gegen das «Spardiktat aus dem Norden» zu bilden.
Bei Sánchez hingegen ist nicht klar, welchen Wirtschaftskurs er einschlagen wird. Er stützt sich vor allem auf die linksalternative Gruppierung Podemos, die mit Finanzdisziplin nichts im Sinn hat. Sánchez selbst ist ein begeisterter Verfechter der EU, auch hat er persönlich als Assistent einer spanischen Europaabgeordneten Erfahrungen in Brüssel gesammelt. Bei allen Differenzen wird er sich bemühen, ein zuverlässiger Partner zu sein. Bei aller innenpolitischen Instabilität wird Spanien sicher nicht ein Krisenfall werden, der die EU bedroht.
Zersplittert, unberechenbar
Allerdings ist längst nicht ausgemacht, dass Sánchez sich lange im Amt halten kann. Zwar hat er in dem zersplitterten Parlament in Madrid, in dem unberechenbare Regionalparteien das Zünglein an der Waage sind, eine knappe Mehrheit gegen Rajoy zusammengebracht. Doch bedeutet dies keineswegs, dass er nun stabil regieren kann. Vielmehr dürfte ihm nichts anderes übrig bleiben, als möglichst rasch Neuwahlen anzusetzen. Und da ist es keineswegs ausgeschlossen, dass die PSOE wieder herunterfällt – bei allen Umfragen nach wirtschaftlicher Kompetenz schneiden die Sozialisten ausserordentlich schlecht ab, es ist der lange Schatten Zapateros, der zwar wichtige gesellschaftspolitische Reformen durchgesetzt hat, aber sich für Wirtschaft kaum interessierte. Auch hat die PSOE mit eigenen Korruptionsaffären zu kämpfen, nämlich in ihrer Hochburg Andalusien, wo ihre Amtsträger fast eine Milliarde an EU-Geldern veruntreut haben.
Schnell ausgeträumt?
Sollte die Volkspartei einen attraktiven Nachfolger für den unpopulären Rajoy aufstellen, so könnte der Traum von einer Linksregierung schnell ausgeträumt sein. In der Tat sprechen die Umfragen derzeit eher für eine bürgerliche Koalition, dieses Mal geführt von der liberalen Bürgerpartei (Ciudadanos). Sánchez hätte dann einen klassischen Pyrrhussieg erzielt, also einen ausserordentlich teuer erkauften Erfolg. Die andere Variante wäre eine fragile Minderheitsregierung. Sánchez wäre dann in derselben Lage wie zuletzt Rajoy: Er könnte jeden Moment abgeschossen werden.
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Was Sanchez' Machtübernahme für Spanien bedeutet
Der Sozialist Sanchez löst den Bürgerlichen Rajoy ab. Allerdings ist längst nicht ausgemacht, wie lange sich der neue Premier halten wird.