Blick in ägyptische SarkophageWas Tiermumien über den Alltag in Tempeln verraten
Die alten Ägypter mumifizierten nicht nur Menschen, sondern auch Hunderttausende Tiere. Diese Konservierung erfolgte wohl aus Tierliebe, Götterverehrung oder war auch mal Betrug.

Die alten Ägypter gelten eigentlich als ausgesprochen tierlieb. Die Menschen hielten sich Katzen und Hunde, ausserdem Vögel, Affen, Erdmännchen oder auch Gazellen. Inschriften auf Tiersarkophagen verraten, dass sie ihren Haustieren Namen gaben. Geschiente Tierknochen lassen darauf schliessen, dass es damals bereits Veterinärmediziner gegeben hat.
Und vor allem aus dem ersten vorchristlichen Jahrtausend sind zahlreiche Tiermumien erhalten. Auch diese Praxis lässt sich zumindest teils als Liebesbeweis deuten, galt das Konservieren des Körpers doch als Voraussetzung für ein gutes Nachleben.
Ein gewisses Aufsehen erregt hat posthum zum Beispiel das Haustier der Priesterin Maatkare Mutemhat, die um 1000 vor Christus in Theben lebte. Ihr mumifizierter Leichnam wurde gemeinsam mit einer kleineren Mumie beigesetzt. Forscher hielten diese lange für ein Kind und meinten, einem jahrtausendealten Skandal auf der Spur zu sein, waren Priesterinnen doch zur Keuschheit verpflichtet. Bis dann klar wurde: Das kleine Wesen war eine Meerkatze.
Ist tatsächlich drin, was drauf ist?
Ob die sechs Tiersarkophage, von denen Forschende nun in der Fachzeitschrift «Scientific Reports» berichten, ebenfalls Zeugnisse einer derart liebevollen Bestattung sind, ist jedoch eher zweifelhaft. Ein Team um den Röntgenspezialisten im British Museum, Daniel O’Flynn, hat die sechs noch versiegelten, mit Tierdarstellungen verzierten Gefässe aus Kupferlegierungen durchleuchtet.
Wie die Forschenden schreiben, wollten sie deren Machart erkunden und herausfinden, ob tatsächlich drin ist, was drauf ist, also ob Reste von Tieren enthalten sind. Schliesslich seien manche Behälter so klein, dass die abgebildeten Tiere kaum hineingepasst hätten – zumindest nicht komplett. Und die Wissenschaftler gehen nicht davon aus, dass es sich um Sarkophage für Haustiere handelte. Sie vermuten einen sakralen Zusammenhang.
Tatsächlich wurden vor allem im ersten Jahrtausend vor Christus längst nicht nur Haustiere konserviert. Tiermumien dienten auch als Opfergaben; viele ägyptische Gottheiten wurden nicht nur mit Tierköpfen dargestellt, sondern die entsprechenden Tierarten wurden auch mit ihnen identifiziert. Katzen etwa konnten die katzenköpfige Kriegs- und Fruchtbarkeitsgöttin Bastet repräsentieren, Ibisse den Weisheitsgott Thot, Krokodile den Wassergott Sobek.
Mumifizierte Tiere gab es als Opfergaben zu kaufen
Opfertiere dienten als Mittler zwischen Menschen und Göttern, und die Nachfrage war gross. Vermutlich wurden Tiere gezielt gezüchtet, um getötet, mumifiziert, in kleine Kästen verpackt und Pilgern unmittelbar an den Tempeln als Opfergaben zum Kauf angeboten zu werden. Alleine in der Nekropole Sakkara wurden Hunderttausende mumifizierte Katzen und Ibisse gefunden. Zuletzt haben belgische und spanische Forscher Krokodilmumien aus Assuan untersucht, die offenbar lebendig in der Sonne getrocknet worden waren.
Doch nicht alle erhaltenen Kästchen enthalten gewissenhaft mumifizierte Tiere. In einigen vermeintlichen Tiersarkophagen fanden Ägyptologinnen und Ägyptologen nur einzelne Körperteile oder auch gar keine tierischen Überreste. Ob das aus Nachlässigkeit oder mit Betrugsabsicht geschah, ist unklar – ebenso wie fraglich ist, ob den Einbalsamierern womöglich zeitweise die benötigten Katzen oder Ibisse ausgegangen waren oder ob sie sich nur die Arbeit sparen wollten.

Die jetzt von dem Team um O’Flynn durchleuchteten Behälter stammen aus der ägyptischen Spätzeit ab dem 7. Jahrhundert vor Christus. Drei sind mit Darstellungen von Schlangen oder Echsen verziert und mit Ringen ausgestattet, an denen sie womöglich aufgehängt werden konnten, sie entstammen der griechischen Handelsstadt Naukratis im westlichen Nildelta. Ein Kasten zeigt eine Eidechse und stammt aus Tell el-Yahudiya nordöstlich des heutigen Kairo. Bei den zwei übrigen Behältern ist die genaue geografische Herkunft unklar. Sie sind bis zu 30 Zentimeter lang und jeweils mit einem schlangenartigen Tier mit gekröntem Menschenkopf verziert.
Weil Untersuchungen mit Röntgenstrahlen zuvor gescheitert waren, setzten die Forscher um O’Flynn nun auf Neutronenstrahlen, die Metalle gut durchdringen und wasserstoffhaltige Substanzen sowie organische Stoffe abbilden können.
Einer der Kästen enthielt lediglich Stoffreste
Im Inneren der Kästen bot sich ihnen ein gemischtes Bild – obwohl sie im Allgemeinen tatsächlich zu enthalten scheinen, was auf ihnen abgebildet ist. So fanden die Forscher in drei Kästen klare Hinweise auf mumifizierte Tiere, in einem von ihnen gar einen erhaltenen Schädel, der von der Grösse her vergleichbar sei mit dem einer Mauereidechse, wie sie schreiben. In einem weiteren Kasten dagegen fanden sie lediglich Stoffreste, womöglich von Leinenbinden, wie sie beim Einbalsamieren geläufig waren. Dazu sahen sie kleine, nicht näher identifizierbare Krümel. In den zwei länglichen Schlangenkästen schliesslich erkannten sie zumindest mögliche Knochensplitter sowie mutmassliche Spuren von Verwesung.
Und sie fanden Hinweise auf eine Praxis, die sich weniger mit Tierliebe erklären lässt, dafür aber sehr pragmatisch wirkt: Die Ägypter gossen offenbar flüssiges Blei in die Behälter – wozu, ist unklar. Blei wurden magische Eigenschaften zugeschrieben, schreibt das Team um Daniel O’Flynn. Aber womöglich sollte das Metall die Behälter auch nur beschweren, damit sie trotz ihres Figurenschmucks nicht ständig umfielen.
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