Terrorverdacht in SpanienWas über die Briefbomben bekannt ist
In Spanien gingen unter anderem bei führenden Politikern und Botschaften sechs Briefbomben ein. Gibt es einen Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg?

Spaniens Innenminister Fernando Grande-Marlaska schliesst nach eigenen Angaben nicht aus, dass die Briefbombenserie in seinem Land mit dem Krieg in der Ukraine in Zusammenhang steht.
Die insgesamt sechs unter anderem an führende Politiker und Botschaften verschickten Briefbomben könnten mit der russischen Invasion in die Ukraine zu tun haben, habe der Minister in einer Mitteilung an seine EU-Kollegen und die EU-Kommission geschrieben, meldete die Nachrichtenagentur Europa Press am Freitag. Das Ministerium bestätigte den Bericht auf Anfrage. Nach den Vorfällen wurden die Sicherheitsvorkehrungen an öffentlichen und diplomatischen Gebäuden erhöht. Die spanischen Behörden ermitteln wegen Terrorverdachts.
Medienberichten zufolge enthielten die Sendungen selbst gebastelte Mechanismen, die eine relativ geringe Menge an pyrotechnischem Material und kleine Metallkugeln enthielten. Beim Öffnen werde keine Explosion, sondern eher eine Stichflamme ausgelöst, schrieben die Zeitung «El País» und der staatliche TV-Sender RTVE am Freitag unter Berufung auf Polizeikreise.
Nur eine der Sendungen war am Mittwoch im Garten der ukrainischen Botschaft ausgelöst worden und hatte einen Sicherheitsbeauftragten an der Hand verletzt. Die Nachrichtenagentur Reuters zitiert eine mit den Ermittlungen vertraute Person, der zufolge die Konstruktionen zwar selbst gebaut seien, jedoch «nichts, was jeder herstellen kann».
Auch EU-Satellitenzentrum erhält verdächtige Sendung
Der Staatssekretär für Sicherheit, Rafael Pérez, bestätigte am Donnerstag auf einer Pressekonferenz, dass sich die Briefe sowohl inhaltlich als auch kalligrafisch ähnelten und deshalb auf dieselbe Urheberschaft hindeuteten. Die braunen Umschläge seien in gewöhnlichen Briefkästen deponiert worden und hätten ihre Empfänger über den herkömmlichen Postweg erreicht.

Der mögliche Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg ergab sich aus den Adressaten. Dabei handelte es sich neben der ukrainischen Botschaft um den spanischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez, in dessen Büro nach offiziellen Angaben bereits am 24. November eine ähnliche Sendung einging.
Am Donnerstagmorgen wurde auch im EU-Satellitenzentrum auf dem Luftwaffenstützpunkt Torrejón ein verdächtiger Umschlag abgefangen. Das Zentrum sammelt und analysiert Satellitendaten, die auch in Verteidigungsfragen genutzt werden.
Es gibt Hinweise, dass die Umschläge aus Spanien verschickt wurden
Dieser Umschlag ist der einzige, der bei der Neutralisierung durch Sprengstoffexperten der Nationalpolizei nicht zerstört wurde. Das erleichtert die Ermittlungen dazu, wie das brennbare Material zusammengesetzt war, und soll weitere Hinweise liefern, wer für die Sendungen verantwortlich ist. Erste Ermittlungen lassen laut Pérez darauf schliessen, dass die Umschläge innerhalb des spanischen Territoriums abgesendet wurden.
Ebenfalls am Donnerstag wurden in der US-Botschaft und im Verteidigungsministerium ähnliche Briefe sichergestellt, Letzterer adressiert an Ministerin Margarita Robles. Diese besuchte jedoch gerade die ukrainische Hafenstadt Odessa. Dort erklärte sie, dass die Briefbomben «die Position Spaniens bei der Verteidigung der Freiheit der Ukraine nicht ändern werden».
Am Mittwochabend wurde auch ein Mitarbeiter des Rüstungskonzerns Instalaza auf eine verdächtige Sendung aufmerksam. Das Unternehmen produziert Raketenwerfer vom Typ C-90, von denen Spanien mehr als 1000 an die Ukraine geliefert hat. Zu möglichen Tätern gab es zunächst keine Angaben, es bekannte sich auch niemand zu den Vorfällen. Laut den spanischen Behörden seien bei beiden Sendungen falsche E-Mail-Adressen als Absender hinterlegt gewesen.
Ukrainische Konsulate erhalten Päckchen mit blutigen Tieraugen
Nach den Briefbombenanschlägen haben andere diplomatische Vertretungen der Ukraine Angaben aus Kiew zufolge zudem Päckchen mit blutigem Inhalt bekommen. Am Freitag teilte das ukrainische Aussenministerum mit, dass in den Botschaften in Ungarn, den Niederlanden, Polen, Kroatien, Italien und drei Konsulaten in Italien, Polen und Tschechien Päckchen mit Tieraugen eingegangen seien.
Vorfälle soll es zudem vor dem Sitz des ukrainischen Botschafters beim Vatikan und den Botschaften in Kasachstan und den USA gegeben haben. Päckchen und Briefe seien synchron aus «einem europäischen Land» eingegangen.
«Da sie nicht in der Lage sind, die Ukraine an der diplomatischen Front zu stoppen, versuchen sie, uns einzuschüchtern», kommentierte Aussenminister Dmytro Kuleba die Vorfälle mit Blick auf den seit mehr als neun Monaten andauernden russischen Angriffskrieg gegen sein Land. Der 41-Jährige versicherte, dass die ukrainischen Diplomaten davon unbeeindruckt weiterarbeiteten. An allen ukrainischen Auslandsvertretungen seien die Sicherheitsvorkehrungen erhöht worden.
SDA/Celine Chorus
Fehler gefunden?Jetzt melden.