Washington will Kohle- und Atomkraftwerke subventionieren
Die USA setzen zu einem Rückwärtssalto in ihrer Energiepolitik an: Die geplante Subventionierung der «alten» Stromerzeuger stellt eine Abkehr von Obamas «Clean Power Plan» dar.

Das mediale Interesse in den USA hat sich in den letzten Tagen vorwiegend auf die von US-Präsident Donald Trump angekündigte Steuerreform konzentriert. Wohl deshalb ist ein anderer Umbauplan seiner Regierung, der von nicht minderer Tragweite ist, bislang weitgehend unbemerkt geblieben. Mit ihm soll quasi die Uhr in der Energiepolitik zurückgedreht werden: Energieminister Rick Perry will staatliche Zuschüsse an die Betreiber von Kohle- und Atomkraftwerken ausrichten, wie er Ende letzter Woche in Aussicht stellte.
Die angepeilte Neuausrichtung steht unter dem Prädikat einer sicheren und verlässlichen Energieversorgung der USA. Laut Perry sollen jene Energieerzeuger in den Genuss von Subventionen kommen, die hierzu einen wesentlichen Beitrag leisten. Allerdings hat er die entsprechenden Kriterien so definiert, dass sich lediglich Kohle- und Atomstrom qualifizieren. Dazu gehört etwa das Erfordernis, einen Vorrat am Produktionsstandort zu halten, der eine Energieerzeugung für 90 Tage gewährleistet. Für Kohlekraftwerke ist dies möglich, nicht aber für gasbetriebene Anlagen.
Verkappte Industriepolitik
Würden die Pläne von Trump und Perry umgesetzt, wäre das eine totale Abkehr von der Politik der Vorgängerregierung unter Barack Obama. Dessen «Clean Power Plan» hatte auf beschleunigte Schliessungen von Kohlekraftwerken abgezielt, um den Ausstoss von Kohlendioxid zu reduzieren. Realisiert wurde dieses Vorhaben jedoch nicht, weil es vom Obersten Gerichtshof der USA auf Eis gelegt wurde. Donald Trump hingegen verdankte den Wahlsieg nicht zuletzt seinem Versprechen, «unseren Kohlearbeitern wieder Arbeit zu geben»; damit holte er im vergangenen November die entscheidenden Stimmen in Bundesstaaten wie Pennsylvania.
Doch bis die Trump-Administration ihre 180-Grad-Wende in der Energiepolitik vollziehen kann, muss sie noch eine Reihe von Widerständen überwinden. Beobachter rechnen mit einer Fülle von gerichtlichen Auseinandersetzungen. Umstritten ist nicht nur der anvisierte Politikwechsel als solcher, der keinerlei Rücksicht auf Klimaschutz und andere Umweltrisiken nimmt. Kritiker machen ferner geltend, dass die Pläne von Rick Perry eine verkappte Industriepolitik darstellten, bei welcher der Staat «mittels Kommando und Kontrolle» bestimme, wer im Markt verbleiben dürfe und wer nicht. Auch dies wäre eine Abkehr von der bisherigen US-Energiepolitik, die seit den 1990er-Jahren auf eine Stärkung der Marktkräfte abzielte, um so die Kosten für die Konsumenten zu senken.
Steter Niedergang der Kohleindustrie
Und noch etwas weckt Misstrauen und Unbehagen bei Beobachtern: das Tempo, mit dem die Regierung das Steuer im Strommarkt herumreissen will. Perry hat die für die Energieregulierung zuständige Bundesagentur (Ferc) angewiesen, schon in 60 Tagen Vorschläge zur Ausrichtung von Subventionen an die infrage kommenden Kraftwerksbetreiber zu unterbreiten. Marktkenner bezweifeln indes, ob die Ferc – die eine unabhängige Regierungsbehörde ist – dem Ansinnen des Energieministers so ohne weiteres Folge leisten wird. Denn sie ist primär für «angemessene und begründete» Stromtarife zuständig.
Offen bleibt schliesslich die Frage, ob es der Regierung selbst bei der Durchsetzung ihrer Pläne gelingen wird, den seit längerem zu beobachtenden Bedeutungsverlust der Kohle zu stoppen. Im vergangenen Jahr leistete sie noch einen Beitrag von 30 Prozent an die amerikanische Stromerzeugung, verglichen mit 48 Prozent im Jahr 2008. Vor allem zwei Entwicklungen sind hierfür verantwortlich: Der Boom in der Fracking-Industrie hat das Angebot an Erdgas drastisch ausgeweitet und damit verbilligt, und gleichzeitig sind auch die Kosten von erneuerbaren Energien – dank staatlicher Steueranreize – gesunken. In diesem Umfeld ist es für Energieerzeuger lohnender, in gasbetriebene Kraftwerke oder in Wind- und Solarparks zu investieren, als alte Kohle- und Atomanlagen weiterzubetreiben.
Noch grösser ist die Skepsis unter Marktkennern bezüglich Trumps Versprechen nach mehr Beschäftigung im Kohleabbau. Sie verweisen auf die Erfahrungen in den 1980er- und 1990er-Jahren, als die Zahl der Jobs trotz erhöhter Fördervolumen stetig schrumpfte, weil die Industrie ihre Effizienz zu verbessern wusste. Hinzu kommt: Gesteigert wurde die Kohleförderung ausschliesslich in den Regionen westlich des Mississippi, wo der Tageabbau möglich ist und entsprechend weniger Arbeitskräfte pro Tonne verkaufter Kohle benötigt werden. Dieser Trend gen Westen dürfte nach Einschätzung von Beobachtern anhalten. Ob auch die alten Kohleregionen in den Appalachen und damit die Arbeiter von Pennsylvania bis Tennessee von Donald Trumps kostspieligen Wiederbelebungsversuchen etwas merken werden, ist daher mehr als fraglich.
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