Wegen Expats: Mehr Englisch in Zürcher Kinos
In Zürich werden Originalversionen im Kino immer beliebter. Ein Grund: Expats. Doch diese sind schnell genervt.

Ob beim Barista oder im Büro, Englisch ist in Zürich inzwischen allgegenwärtig. Die Stadt lockt Expats – also Ausländer, die wegen eines gut bezahlten Jobs in die Schweiz kommen – auch mit ihrem Kulturangebot. So zeigen die Zürcher Kinos die Filme in der Regel in der Originalversion.
Zwar steigt schweizweit tendenziell der Anteil von deutschen Sprachfassungen, besonders auffällig ist das bei Action- und Trickfilmen. Diese Entwicklung gilt aber nicht für Zürich, wo der Anteil der Eintritte von Originalversionen überwiegt.
Laut dem Branchenverband Pro Cinema sahen 2019 rund 55 Prozent der Besucher in Zürich eine Vorführung in Originalsprache. Das ist der höchste Wert seit zehn Jahren. Auch ein Kassenschlager wie der neue «Star Wars» läuft in der Stadt hauptsächlich auf Englisch.
Gestiegen ist in den letzten Jahren die Nachfrage nach englischen Untertiteln, wie der Verleih Filmcoopi bestätigt. Dies vor allem auf Wunsch von Kinos wie dem Riffraff im Kreis 5. Dort läuft aktuell der Oscar-nominierte Thriller «Parasite» aus Südkorea mit deutschen und englischen Untertiteln. Programmleiter Frank Braun glaubt, dass mittlerweile mehr Besucher englische statt französische Untertitel wünschen.
Wie das Riffraff versucht auch das benachbarte Kino Kosmos an der Europaallee nach Möglichkeit, englische Untertitel anzubieten. An beiden Orten probiert man das auch mit Schweizer Filmen, im Riffraff gibt es ab Donnerstag englisch untertitelte Vorführungen von «Platzspitzbaby».
Kindergeburtstage für Expats
Klearjos Papanicolaou, in Mexiko-Stadt geboren und in den USA aufgewachsen, arbeitet als Soziologe und Filmemacher am Lehrstuhl für Architektur und Urban Design der ETH. Obwohl er mehr Sprachen spricht als die meisten Schweizer, hat er in den Kinos der Stadt öfter die Erfahrung gemacht, dass er keinen Zugang hat zum Gesprochenen. Ein Drama aus Afghanistan mit deutschen Untertiteln? Keine Chance.
Allgemein wünscht sich Papanicolaou mehr englische Untertitel sowie Infotexte in mehreren Sprachen, um überhaupt etwas über das Programm erfahren zu können. «Für eine kleine Stadt ist das Angebot aber sehr gut.» Insbesondere gebe es herausragende Nischenprogramme, beispielsweise in seinem Lieblingskino Xenix.

Spezialisierte Filmangebote für die Diaspora aus Sri Lanka, Indien, der Türkei oder dem Balkan gibt es in Zürich seit Jahren. Die Expats, die gewohnt sind, im Arbeitsleben Englisch zu sprechen, kommen aber mit neuen Erwartungen in die Kinos. Läuft ein Film auf Englisch, aber mit deutschen Untertiteln, würden sich Expats schnell genervt zeigen, sagt Stüssihof-Leiter Peter Preissle. «Sie wollen sich nicht durch die Schrift ablenken lassen.»
Buchen Expats das Stüssihof-Kino für einen Kindergeburtstag, seien deutsche Untertitel hingegen in Ordnung, schliesslich kriegen die Kleinen so noch ein bisschen Deutsch mit. Preissle erzählt auch von einer Versicherungsfirma, die im Stüssihof zu einer Spezialvorstellung von «Bruno Manser» lud und ausdrücklich englische Untertitel für die Mitarbeiter wünschte, die kein Deutsch verstehen.
Sind Synchronisationen überholt?
Unweit vom Paradeplatz liegt das Filmpodium, das auf Reihen zur Filmgeschichte spezialisiert ist. Besuch von Expats bekommt es laut Leiterin Corinne Siegrist-Oboussier vor allem, wenn ein Programm aus dem angelsächsischen Raum läuft. Am legendären Filmbuff-Quiz wollte ein junger Besucher aber auch schon mal wissen, ob man die Fragen auch auf Englisch stellen könne. Das habe man abgelehnt, sagt Siegrist-Oboussier.
Das Filmpodium bietet ebenfalls lieber englische Untertitel statt französische an, schliesslich verstehe auch das Schweizer Publikum inzwischen klar besser Englisch, so die Leiterin. Um Expats anzulocken, liess sich das Filmpodium beim zweisprachigen Stadtmagazin «Hello Zurich» porträtieren. Auf der Kino-Website stösst man neuerdings öfter auf englische Programmtexte.
Um mehr zu tun, fehlten aber die Ressourcen, sagt Siegrist-Oboussier. Allenfalls könnten im Rahmen des städtischen Kulturleitbilds 2020–2023 zusätzliche Mittel eingesetzt werden. Die «Teilhabe» ist dort als Ziel definiert, und teilhaben an der Kultur sollen ja auch die Expats.
Laut Peter Preissle vom Stüssihof sei Zürich nicht gross genug, um ein Kino zu betreiben, in dem nur Originalversionen ohne Untertitel laufen würden. Klearjos Papanicolaou fände das aber sowieso falsch. «Untertitel sind gerade in einem Land wie der Schweiz zentral.»
Eher glaubt er, dass man die Synchronisation bald einmal als eine veraltete Praxis betrachten werde. Nicht zuletzt dank Streaming würden wir uns an Originalversionen gewöhnen und ein Gespür dafür entwickeln, was in einer Übersetzung verloren gehen kann, die Textur einer Stimme etwa. In Zürich habe er eine ziemliche Weile gebraucht, um zu merken, dass hier auch Deutsch synchronisierte Filme laufen.
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