Wehrlein startet in Bahrain – die Gerüchte bleiben Gerüchte
Zwölf Wochen nach seinem Unfall bestreitet der Deutsche sein erstes Formel-1-Rennen für Sauber. Das bringt Ruhe ins Schweizer Team.
Plötzlich war Antonio Giovinazzi das: ein Wunderfahrer. Ein künftiger Weltmeister. Der zweitbeste Pilot im ganzen Feld – nur überragt von Sebastian Vettel, dem Sieger im Ferrari. Die Fachzeitschriften und Experten waren voll des Lobes für den 23-Jährigen aus Martina Franca im Süden Italiens. Ersatzpilot bei der grossen Scuderia Ferrari, und plötzlich im Einsatz für das Schweizer Sauber-Team.
Zwölfter war er geworden beim Grand Prix von Australien – in seinem allerersten Rennen in der Formel 1. Dass nur 13 Fahrer ins Ziel kamen: Es war nur eine Randnotiz.
Giovinazzi beeindruckte mit seiner Gelassenheit und Souveränität, mit der er den Sauber C36 um die Kurven auf dem Albert Park Circuit steuerte. Ohne Fehler spulte er sein ganzes Programm ab, obwohl er zuvor einzig in der ersten Testwoche in Barcelona im Cockpit gesessen war und erst am Samstagmorgen erfahren hatte, dass er für die Hinwiler Qualifying und Rennen bestreiten werde.
Vom Wunder- zum Bruchpilot
Zwei Wochen später sieht die Welt für den jungen Italiener etwas anders aus. Vom hochgejubelten Wunderfahrer ist er zum Bruchpilot geworden – an nur einem Wochenende. Im Qualifying zum GP von China krachte er auf der Start- und Zielgeraden heftig in die Mauer.
Giovinazzis Unfall im Qualifying zum GP von China.
Im Rennen dauerte es dann gerade einmal vier Runden, bis er sein mit viel Aufwand repariertes Auto an derselben Stelle in die Streckenbegrenzung setzte und für den nächsten Grossschaden am Sauber sorgte.
Giovinazzis Unfall im Rennen von China.
Doch niemand mochte Giovinazzi kritisieren. Der Unfall geschah bei schwierigen Bedingungen auf abtrocknender Strecke, und noch ist er dabei, sich an die enormen Belastungen zu gewöhnen, denen ein Formel-1-Pilot ausgesetzt ist. In der GP2-Serie, der Vorstufe zur Königsklasse, in der Giovinazzi 2016 Zweiter wurde, sind diese deutlich geringer. An seinem Ruf als Grosstalent hat sich an diesem Wochenende deshalb nichts geändert.
Es wurde gar darüber spekuliert, ob er nun Pascal Wehrlein, den eigentlichen zweiten Sauber-Stammfahrer neben Marcus Ericsson, für das ganze Jahr ersetzen könnte. Zumal Einsätze des Ferrari-Junioren für Sauber wohl mit reduzierten Preisen beim Erwerb der Motoren der Scuderia einhergehen würden. Doch das waren lediglich Spekulationen, Toto Wolff, Mercedes-Sportchef und damit auch Vorgesetzter von Mercedes-Nachwuchspilot Wehrlein, nannte es «Verschwörungstheorien».
Auch Ferrari hoffte auf Wehrleins Rückkehr
Tatsächlich sind diese Gerüchte nun hinfällig. Am Dienstagnachmittag verkündete Sauber, dass Wehrlein am Wochenende in Bahrain erstmals an den Start gehen wird. Das kommt auch Ferrari entgegen. Denn so behält Giovinazzi seinen Status als Nachwuchsfahrer, den er verloren hätte, wenn er drei Grands Prix bestritten hätte. Nun kann er als Junior im Anschluss an die Rennen in Bahrain, in Ungarn (1. und 2. August) und nach dem WM-Final in Abu Dhabi (28. und 29. November) für Ferrari testen. Der Weltverband FIA hat festgelegt, dass die Hälfte dieser Tage für den Nachwuchs reserviert ist.
Pascal Wehrlein überschlägt sich beim Race of Champions.
Wehrlein also hat sich erholt von seiner Verletzung, die er sich bei seinem Unfall im Showrennen Race of Champions Mitte Januar zugezogen hat. Diese war schlimmer als vermutet. Vor allem schlimmer, als kommuniziert worden war.
Stets war von «Rückenproblemen» die Rede. Zudem betonte Wehrlein schon bei den Tests in Barcelona, dass er keinerlei Schmerzen habe während des Fahrens und auch fit sei. Umso überraschender war dann seine Absage für den Auftakt in Australien und dass er auch zwei Wochen später für China Forfait gab.
Schockierende Worte und das Dementi
Wolff, Motorsportchef von Mercedes, verblüffte und schockierte dann vor dem Grand Prix von China mit dieser Aussage: «Pascal hat sich bei dem Unfall Wirbel im Halsbereich gestaucht und gebrochen. Er hatte Glück, dass es nicht zu einer weitreichenderen Verletzung gekommen ist.» Monisha Kaltenborn, Chefin von Sauber, dementierte das und sprach von Verletzungen der «Brust- und nicht der Halswirbel», von «Mikrofrakturen». Offenbar steht es auch so in den ärztlichen Unterlagen. Wolff dürfte bei seinem Versuch, seinen Schützling – wie das Wort sagt – zu beschützen, etwas über das Ziel hinausgeschossen sein.
Wolffs Gründe: Wehrlein war zuvor von anderen Fahrern attackiert worden. Der ehemalige Sauber- und mittlerweile Force-India-Pilot Sergio Pérez polterte etwa: «Ich würde fahren, selbst wenn ich im Auto leiden würde. Das härtet am besten ab.» Und Haas-Fahrer Romain Grosjean sagte: «Meine Frau würde mich dafür hassen, aber ich würde in seiner Situation fahren.» Jolyon Palmer von Renault wiederum sagte: «Jemand wie er oder ich, der noch nie in einem Top-Auto gefahren ist und sich noch beweisen muss, muss schauen, dass er jedes mögliche Rennen fährt und sein Können unter Beweis stellt.»
Wegen dieser Aussagen, in denen «Wehrlein als Prinzessin» dargestellt worden sei, «weil er nicht im Auto sitzen wolle», und wegen der Spekulationen, Ferrari habe Druck auf Sauber ausgeübt, weil es unbedingt Giovinazzi im Cockpit habe sehen wollen, sei ihm «einfach der Kragen geplatzt», sagte Wolff. «Es war eine schwerwiegende Verletzung, die wir in der Öffentlichkeit nicht breittreten wollten. Aber ich fand den Zeitpunkt als gekommen, zu sagen, was Sache ist, damit die Leute endlich Ruhe geben und Pascal die notwendige Zeit erhält.»
Zwölf Wochen nach dem Unfall ist der Zeitpunkt gekommen für Wehrleins Debüt im Sauber-Team.
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