Spektakulärer Foto-Spot Weisse Pracht zu versteigern
Die Scala dei Turchi auf Sizilien ist wunderschön, doch es kommen einfach zu viele Touristen, und niemand passt auf. Der Besitzer will die Klippe deshalb verkaufen – am liebsten an Elon Musk.

Schönheit ist ja auch ein Fluch, sie will ewig gepflegt und bewahrt sein. Wenn man, wie die Italiener, sehr viele Schönheiten besitzt, natürliche und erbaute, dann ist es eben auch eine Last, sie in Form zu halten. Es kostet viel Geld und Energie. Eine dieser «bellezze», die Scala dei Turchi, steht nun zum Verkauf, sie soll versteigert werden, weil sich niemand gebührend um Unterhalt und Schutz kümmern mag. So jedenfalls macht es den Anschein. Wobei: Bei dieser Geschichte ist nicht alles, wie es scheint.
«Treppe der Türken» – so heisst eine spektakulär weiss leuchtende Klippe bei Realmonte in der südsizilianischen Provinz Agrigento, links und rechts davon liegen schöne Sandstrände. Der Felsen besteht aus Mergel, einem Sedimentgestein. Wind und Wellen haben die Klippe geformt, über Jahrhunderte, so entstanden diese Stufen. Mit den Türken hat sie herzlich wenig zu tun, der Name beruht auf einem Irrtum: Früher und bis ins Mittelalter hielten die Menschen vom Ort die sarazenischen Piraten aus dem arabischen Raum, die im Mittelmeer ihr Unwesen trieben, für Türken. Und weil die mit ihren Boote auch beim weissen Felsen anlegten, um die Dörfer zu überfallen, wurde daraus die Scala dei Turchi.
Rote Farbe über die Stufen geschüttet
Schön war sie schon immer. Doch seit es Instagram gibt, ist ihre Schönheit gewissermassen empirisch erforscht: Von allen Küstenstücken der Welt ist es das Instagram-tauglichste. Vor einigen Jahren schafften es Umwelt- und Denkmalschützer nach langem Kampf, dass zwei sogenannte Ecomostri, wie die Italiener zu oftmals illegal errichteten Horrorbauten in der Natur sagen, abgerissen wurden. Sie hatten die Klippe verstellt. Besondere Schönheit wird nun mal oft mit besonderer Lust verheert, da verstehe einer die Menschen.

Im vergangenen Januar schütteten Dummköpfe einige Eimer rote Farbe über die Stufen der Scala dei Turchi. Die weisse Pracht: profaniert. Die Empörung war gross, die Bilder gingen um die Welt. Bürger organisierten sich und wuschen die Schande weg. Damals beteuerten die regionalen und kommunalen Behörden, sie würden den Ort nun besser kontrollieren. Siziliens Regionalverwaltung versprach die Entsendung der Forstpolizei.
Passiert sei seitdem aber gar nichts, sagt Ferdinando Sciabarrà, 74 Jahre alt, früher mal Beamter in der Handelskammer von Agrigento. Bekannt ist Sciabarrà als «Besitzer» der Scala dei Turchi – so, in Anführungszeichen, beschreibt ihn die Zeitung «Corriere della Sera», sie hat ihn diese Woche interviewt. Noch immer glauben nämlich nicht alle, dass er tatsächlich der Besitzer ist, und das, obschon ein Gericht nach dem Studium alter Grundstückspläne und Verträge neulich zum Schluss gelangt ist, dass Sciabarrà wenigstens den oberen Teil der Klippe rechtmässig geerbt hat.
Ob Musk Interesse hat am weissen Felsen?
Er wollte ihn der Gemeinde Realmonte vermachen, gratis. Doch die mochte das Geschenk nicht annehmen. Auch die Region winkte ab. Oder zieren sie sich nur? Ferdinando Sciabarrà hat das Theater satt, er will die Klippe jetzt versteigern, möglichst noch vor dem Sommer, wenn wieder viele Touristen vorbeischauen werden, denn bei Problemen würde er persönlich haften. Am liebsten hätte er, wenn der Unternehmer Elon Musk, Gründer von Tesla, die Scala kaufen würde. «Wir werden als Erstes Musk anfragen», sagte er. Wichtig sei ihm, dass der Zutritt für die Besucher auch in Zukunft umsonst sei und dass der Felsen nicht verbaut werde, mit einem Hotel oder einem Kiosk. Als man ihn fragte, warum er sich ausgerechnet Elon Musk als Käufer wünsche, sagte er, «Musk oder einer wie Musk».

Ein Milliardär halt, der damit etwas für sein Image machen könne. Wahrscheinlich hatte er seinen Namen gerade in den Medien gesehen, wegen des Kaufs von Twitter für 44 Milliarden Dollar. Über ein Interesse Elon Musks an der Scala dei Turchi ist bisher nichts bekannt. Den «Corriere» erinnert die Geschichte ein bisschen an eine berühmte Szene aus der Komödie «Totòtruffa 62» von 1961. Der grandiose Totò gibt sich darin als Besitzer der Fontana di Trevi in Rom aus, jagt Kinder weg, die nach Münzen fischen – und versucht dann, den Brunnen einem Touristen aus Amerika zu verkaufen.
Oliver Meiler ist Italienkorrespondent. Er hat in Genf Politikwissenschaften studiert. Autor des Buches «Agromafia» (dtv, 2021).
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