Ein Zeichen wollten sie, ein Zeichen bekamen sie, die Wolfsgegner im Urnerland. Sie stimmten am Wochenende mit einem Ja-Stimmenanteil von 70,2 Prozent für eine Regulierung der Grossraubtiere. Das sind Luchs, Bär und vor allem: der Wolf. Er hat sich unbeliebt gemacht, weil er gerne Schafe frisst.
Nur ändert sich mit dem Ja bis auf Weiteres wenig. Das sogenannte Wolfsmanagement ist noch immer Sache des Bundes. Das bedeutet, dass die Urner nicht plötzlich mehr Wölfe erlegen können. Sie sind weiterhin bei jedem einzelnen Abschuss darauf angewiesen, dass Bern den Daumen hochhält. Die Gegner um WWF und Pro Natura nannten darum die Abstimmung eine unwirksame Symbolpolitik. Sie haben recht. Trotzdem sollte ihnen das Zeichen der Urner zu denken geben.
Denn das Urner Ja wird begleitet von einem Meinungsumschwung, der in ganz Europa zu beobachten ist. Politiker, diese feinfühligen Wesen, haben das politische Potenzial der meist ländlich geprägten Wolfgegner entdeckt und es zu einem Wahlkampfthema gemacht. Das mag populistisch sein, es zeigt aber auch, wie der Wind dreht. In Deutschland hat sich unter grossem Zulauf politischer Widerstand formiert, ebenso in Italien und Österreich. Die Schweiz wiederum hat beim Europarat beantragt, den Status des Wolfes von «sehr geschützt» auf «geschützt» zu senken.
Momentan läuft zudem die eidgenössische Revision des Jagdgesetzes. Der Ständerat hat das Gesetz bereits gelockert und die Abschusshürden gesenkt. Pro Natura spricht von einem «Frontalangriff auf den Artenschutz» und einem «Abschussgesetz». Falls der Nationalrat den Entwurf des Ständerats bestätigt, droht die Organisation mit einem Referendum.
Es scheint, als seien die Zeiten vorbei, in der die wilde Natur wilde Natur sein kann. Waren es bisher in erster Linie die Züchter, die sich mit Schutzmassnahmen an den Wolf anzupassen hatten, müssen sich nun die Wolfsfreunde überlegen, ob ihre Forderungen nach einem rigorosen Schutz des Canis Lupus noch gesellschaftsfähig sind. Im Sinn von: Wie steht es um die Balance zwischen Artenschutz und Wohl des Menschen?
Die Wolfsdebatte ist emotional und verrutscht gerne ins Polemische. Die oft radikalen Meinungen entstehen durch eigene Betroffenheit – und durch die mangelnde Fähigkeit, sich in andere hineinzudenken. Städter, die den Wolf als faszinierendes Tier aus dem Fernsehen kennen, denken anders als die Bewohner von Isenthal, eine Urner Gemeinde, wo oft Wölfe gesichtet werden – und die gerade mit 93 Prozent Ja gestimmt hat.
Oder anders gesagt: Der Isenthaler fände es womöglich auf den ersten Blick noch spannend, wenn im Zürichsee plötzlich Krokodile schwimmen würden. Der Familienvater aus Wollishofen wohl weniger.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch
Wenn das Faszinosum zum Feind wird
Die Urner wollen besser vor dem Wolf geschützt werden. Nicht nur sie.