Wenn das Hallenstadion vom Blitz getroffen wird
Die ZSC Lions bezwingen die SCL Tigers zur Heimpremiere von Arno Del Curto 4:1 – es ist ein Abend wie ein Rockkonzert.
Als alles vorbei ist und die ZSC-Spieler mit strahlenden Gesichtern in die Garderobe marschiert sind, kehrt Arno Del Curto nochmals in die Arena zurück. Und wird gefeiert wie ein Rockstar. Seine Name wird skandiert aus Hunderten Kehlen, er lächelt und winkt in die Ränge. Dann die Geste, die man von ihm kennt: der Zeigefinger am Mund. Pssst!
Doch zum Glück ist Del Curto kein Rockstar, sondern ein Eishockeytrainer. Denn als ihn der Stadioninterviewer mit einer Stimme, die sich fast überschlägt, fragt, wie der Abend für ihn war, sagt er ganz leise: «Ich habe leider keine Stimme mehr. Aber es war geil.» Er schmunzelt. Für eine ausführliche Matchanalyse taugt seine Stimme tatsächlich nicht mehr, doch das ist auch egal. Del Curto ist zurück in Zürich nach 25 Jahren, und mit ihm die Emotionen beim ZSC.
Songs von der «Arno-Playlist»
So oder so wird unter ihm das Hallenstadion gerockt. Egal, wie gut der ZSC spielt. Für ihn wurde die Musik angepasst. Vor dem ersten Bully erklingt «Rage Against the Machine», natürlich dürfen «AC/DC» und «Def Leppard» nicht fehlen. Es ist rockiger geworden. Die Hälfte der Songs stammt neu von der «Arno-Playlist». Vielleicht könnten die Lions ja auch mal zu «Hell's Bells» einmarschieren wie der FC St. Pauli. «Thunderstruck» soll zum neuen Leitmotto werden, vom Blitz getroffen.
Doch es dauert eine Weile, bis es erstmals blitzt unter dem neuen ZSC-Coach Del Curto. Oder zumindest donnert. Das 0:1 am Freitag in Langnau war ein kleiner Stimmungsdämpfer. Wohl deshalb ist das Stadion bei seiner Heimpremiere nicht ganz ausverkauft, es bleiben 700 Tickets übrig. Und 72 Spielminuten muss sich Del Curto gedulden, bis er erstmals ein Tor seines neuen Teams bejubeln kann – das 1:1 Petterssons im Hallenstadion per Penalty. Doch dann nimmt der ZSC Fahrt auf, schiesst Bodenmann (15.) das 2:1 und verpassen andere weitere Tore.
Eine neue Art der Faszination dank Del Curto
Im Zürcher Fanblock kommt Stimmung auf. Vor dem Match wurde ein Transparent aufgehalten mit den Worten: «Wilkomme dihei, Arno, Züri liebt dich au.» Einer sagt: «Der ZSC ist faszinierend – aber mit Arno ist er auf eine ganz neue Art. Ich habe ihn schon damals erlebt, mein Vater hat mich ins Hallenstadion mitgenommen.» Konkrete Erinnerungen hat der junge Mann allerdings nicht mehr, er war erst drei, als der ZSC das grosse Lugano stürzte. Der Trainerwechsel wird in der Kurve einhellig begrüsst. «Jetzt läuft endlich wieder etwas», lautet der Tenor.
Wobei: Die turmhohen Erwartungen, die in ihn gesetzt werden, wird Del Curto zumindest kurzfristig kaum erfüllen können. Er gibt sich denn auch alle Mühe, sich nicht zu sehr in den Vordergrund zu stellen. Nach dem fast zweistündigen Interviewmarathon bei seiner Vorstellung als ZSC-Trainer am Montag gibt er keine längeren Interviews mehr – zumindest vorerst. Doch verstecken kann er sich nicht. In Langnau installiert MySports eine «Arno-Cam» – eine Kamera, die nur auf ihn gerichtet ist. Big Brother lässt grüssen. Und als er im Hallenstadion um 19.43 Uhr zur Bank läuft, wird er begleitet von einem Tross Fotografen.
Alle reissen sich um A/DC
Der Kult um Del Curto nehme groteske Züge an, sagt ein Beobachter, der von jenseits des Bareggs angereist ist. Mag sein. Ausrüster Ochsner hat für das Heimdebüt T-Shirts bedruckt mit dem Schriftzug A/DC – natürlich inspiriert von AC/DC. Zur ersten Pause meldet der Stadionanimator: Alle T-Shirts sind ausverkauft!
Apropos Bekleidung: Wer befürchtet hatte, Del Curto würde in Zürich sein wildes Äusseres abstreifen, wie ein Konfirmand mit Anzug und Krawatte coachen, darf aufatmen. Das weisse Hemd, das er unter seinem Pullover trägt, ragt hinten über seine Jeans heraus.
Vom wilden, temporeichen, intensiven Eishockey, das ihm vorschwebt, ist der ZSC allerdings auch beim zweiten Auftritt unter Del Curto noch einiges entfernt. Doch es hilft der Stimmung, dass der Meister schon bald einem ungefährdeten Sieg entgegensteuert. Jeder Check, jede schnelle Aktion wird wohlwollend beklatscht. «Ich habe Freude», sagt Peter Meier, Meisterstürmer 1961 und späterer TK-Chef. Die Rückkehr Del Curtos war für ihn ein lang gehegter Wunsch gewesen – wie für viele andere Exponenten des «alten» ZSC.
Walter Scheibli sagt: «Man spürt Arno bereits»
Der langjährige Radioreporter Walter Scheibli, bekannt als «Stimme des ZSC», sagt: «Man spürt Arno bereits. Es geht viel schneller von hinten heraus, es gibt weite Pässe und man sucht den Abschluss. Vorher war man viel mehr in den Ecken draussen.»
Er habe eigentlich nicht mehr damit gerechnet, dass Del Curto nochmals ZSC-Trainer werde, sagt der 86-Jährige. Umso mehr geniesst er es. Am Freitag war er Studiogast bei MySports, wobei der Auftakt mit dem 0:1 wenig verheissungsvoll war. Doch Scheibli, der Optimist, dachte: «Es kann ja nur noch besser werden.»
Wurde es auch. Das 4:1 gegen die SCL Tigers ist ein erster Schritt. Nicht mehr. Aber auch nicht weniger. Del Curto weiss: Bei aller Verehrung für ihn, am Ende müssen es seine Spieler richten. Als er nach der Schlusssirene übers Eis läuft, geht er zu Goalie Lukas Flüeler hin und tätschelt ihm liebevoll auf den Helm.
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