Wenn das Superhirn zum Problem wird
Ein überdurchschnittliches Gehirn ist nicht nur Segen, sondern auch Fluch, denn: Wer ein gutes Gedächtnis hat, den belasten negative Erlebnisse stärker.

Fast jeder hätte gern ein besseres Gedächtnis. Doch ein Supergedächtnis kann auch Schattenseiten haben, wie Forscher um Dominique de Quervain und Andreas Papassotiropoulos von der Universität Basel in einer neuen Studie zeigen: Wer eine Genvariante trägt, die ein besseres Gedächtnis verleiht, den belasten negative Erlebnisse auch stärker.
Die Wissenschaftler haben zusammen mit Kollegen der ETH Zürich und aus Deutschland eine Genvariante namens PRKCA identifiziert, deren Träger emotional aufgeladene Erinnerungen markant besser abrufen können. Für ihre Studie mussten sich 723 Studentinnen und Studenten 72 Bilder mit positiven, negativen oder neutralen Sujets merken. Dann prüften die Wissenschaftler, an wie viele der negativen Bilder sie sich erinnerten.
Bessere Erinnerung an emotionale Bilder
Es stellte sich heraus, dass dies Trägern einer bestimmten Form des PRKCA-Gens besser gelang, wie die Forschenden am Dienstag im Fachblatt «Proceedings of the National Academy of Sciences» berichteten. Die Überprüfung im Kernspintomographen zeigte, dass bei ihnen zwei Gehirnareale aktiver waren, die mit dem emotionalen Gedächtnis in Verbindung gebracht werden.
Im zweiten Teil der Studie wollten die Forschenden wissen, ob das bessere Gedächtnis die Auswirkungen von schlimmen Erlebnissen vergrössert. Zusammen mit Kollegen von den Universitäten Konstanz und Ulm suchten sie die Genvariante im Erbgut von Flüchtlingen des Bürgerkriegs in Ruanda.
Hypothek für Kriegsflüchtlinge
Tatsächlich litten Träger eben jener Genvariante von PRKCA häufiger an quälenden Erinnerungen an Kriegserlebnisse wie Verwundungen oder Vergewaltigungen. Sie wiesen häufiger Symptome des posttraumatischen Stress-Syndroms (PTSD) auf, indem sie zum Beispiel immer wieder das Geschehene durchlebten oder Gedanken und Gespräche darüber vermieden.
«Bisher gab es nur schwache Hinweise darauf, dass Menschen mit besonders gutem Gedächtnis anfälliger für PTSD sind», erklärten die Forschenden. «Wir zeigen nun, dass es eine genetische Verbindung zwischen dem Gedächtnis und dem Risiko für PTSD gibt.» In Zukunft könnte ein genetischer Test womöglich dabei helfen, posttraumatische Probleme gezielter zu behandeln.
Kein Gen-Doping fürs Gedächtnis
Wer sich von solchen Studien ein Gen-Doping für ein besseres Gedächtnis erhofft, wird enttäuscht: Über die Gehirnleistung eines Einzelnen sagen Gedächtnisgene nichts aus. Die Unterschiede im Erinnerungsvermögen sind nur in grossen Gruppen statistisch messbar. Am Gedächtnis wirken viele Gene mit und eben auch die Umwelt.
Doch könnte die Erforschung dieser Gene Ansatzpunkte für Medikamente gegen Gedächtnisstörungen aufzeigen, wie sie bei Depressionen und Stress auftreten. Erste Tests mit derart identifizierten Molekülen an Menschen laufen bereits.
SDA/fko
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