Wenn der Experte sogar den Federer-Vergleich bemüht
Dem Schweizer Snooker-Profi Alexander Ursenbacher gelingt das Undenkbare: Er schlägt Legende Ronnie O'Sullivan. Trotzdem: Sein Weg bleibt hart.
Als der entscheidende Ball versenkt war, blieb ihm ein verlegenes Lächeln. Was denn sonst? Eine Jubelpose wäre dem vornehmen Sport und der Fliege am Hemdkragen so wenig angemessen gewesen wie dem Stellenwert des Besiegten. Also blickte Alexander Ursenbacher seinen Gegner fast entschuldigend an, als er ihm die Hand schüttelte und die beiden ein paar wenige Worte austauschten.
Dabei war Ursenbacher gerade voll des Glücks. Schliesslich hatte der 22-jährige Schweizer in dieser 3. Runde des Welsh Open in Cardiff nicht irgendjemanden besiegt, sondern Ronnie O'Sullivan, den fünffachen Weltmeister, «The Rocket». Den Mann, den er sein Idol nennt. Den Mann, der der Grund dafür gewesen ist, dass sich Ursenbacher überhaupt für Snooker interessierte. Als er mit 12 beim Snooker Club Basel anfing, wurde O'Sullivan gerade zum dritten Mal Weltmeister. Über 10 Millionen Pfund Preisgeld hat der Brite aus den Midlands in seiner Karriere verdient.
«Diesmal war ich der Käfer»
«Das ist mein grösster Sieg», sagte Ursenbacher hinterher. «Ich hätte nicht gedacht, ihn schlagen zu können, aber ich habe meine Chancen genutzt.» Nachdem O'Sullivan im sechsten Frame beim Versuch scheiterte, den gelben Ball zu lochen, konterte Ursenbacher seinerseits mit einem brillanten Stoss auf Gelb. Kurz darauf gewann er den entscheidenden vierten Punkt und stand als Sieger fest.
O'Sullivan freute sich hinterher für den Aargauer aus Rheinfelden. «Manchmal bist du der Käfer und manchmal die Windschutzscheibe. Ich war diesmal der Käfer», schrieb er auf Twitter. Zu www.worldsnooker.com sagte er: «Der bessere Spieler hat gewonnen. Er hat einige grossartige Bälle gespielt, und ich muss ihn einfach loben. Es macht Spass, ihm zuzusehen.» Der Kommentator des TV-Senders BBC jubelte gar: «Hier verdrängt einer Roger Federer von den Titelseiten. Die Schweiz hat einen neuen Champion.»
Dass aber die Bäume auch nach einem Sensationssieg nicht in den Himmel ragen, musste Ursenbacher noch am selben Abend erkennen: Im Achtelfinal des Welsh Open unterlag er dem Chinesen Zhao Xintong 2:4. Eine bittere Niederlage: Im harten Kampf um einen Platz im Profifeld für die nächste Saison ist Zhao ein direkter Konkurrent.
Die Inkonstanz ist seit je ein steter Begleiter in der Karriere des einzigen Schweizer Snooker-Profis. Mit 17 qualifizierte sich Ursenbacher erstmals für die Maintour der World Professional Billards und Snooker Association (WPBSA) mit 128 Profis. Seinen Platz muss man alle zwei Jahre bestätigen, indem man unter die besten 64 der Welt vorstösst, und dies misslang Ursenbacher 2015. Zwischenzeitlich hatte er 14 Spiele in Folge verloren, er war noch die Nummer 119 der Welt und hatte kaum mehr als 2000 Franken verdient.
Brillant versenkt Alexander Ursenbacher den gelben Ball. Quelle: World Snooker via Twitter
Ursenbacher kehrte in die Schweiz zurück, aber desillusioniert war er nicht. Auf den Tischen des Snooker Clubs Basel in Münchenstein trainierte er fortan allein, bis zu sieben Stunden täglich. Zweimal versuchte er, sich über das Qualifikationsturnier Q School wieder für die Tour zu empfehlen, doch erfolglos. Und doch probierte er es weiter – der Skepsis seiner Eltern zum Trotz. Seine Leidenschaft erklärte er einmal so: «Jeder Ball, den man versenkt, löst ein kleines Glücksgefühl aus. Und je besser man wird, desto mehr Glücksgefühle erlebt man. Das ist wie eine Sucht.»
Die Beharrlichkeit zahlte sich aus. 2017 wurde Ursenbacher auf Zypern U-21-Europameister und sicherte sich so einen Startplatz auf der Maintour. Und da ging es flott los: Beim English Open bezwang er den früheren Weltmeister Shaun Murphy und stiess in den Halbfinal vor. Als erster deutschsprachiger Spieler überhaupt. 20'000 Pfund waren ihm sicher – sein bislang grösstes Preisgeld.

Aber wieder fiel er daraufhin in ein Tief, plötzlich spürte Ursenbacher den Druck. An sechs Turnieren in Folge schied er in der ersten Runde aus, vier Monate blieb er ohne Preisgeld. «Als ich auf die Main Tour kam, dachte ich, dass ich es nun geschafft habe», gestand Ursenbacher einst. Heute wisse er: «Sich dort zu etablieren, ist noch viel schwieriger». Schöne Worte wie die von O'Sullivan mögen der Seele guttun, für die Zukunft helfen nur Siege und Pfund.
Drei Monate verbleiben bis zum Ende der Saison, drei Monate, um von seiner aktuellen Position 71 der Weltrangliste noch auf Platz 64 vorzustossen. Andernfalls verlöre Ursenbacher den Profistatus der WPBSA zum zweiten Mal. Und was dann? Schon letztes Jahr deutete er an: «Ich würde nicht aufhören, sondern es wieder versuchen.»
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