Wenn der Schnellzug zum Bummelzug wird
Weil die SBB Züge aus Österreich ausbremsen, kommen diese oft viel zu spät in Zürich an.

Bahnhof Sargans, 18.30 Uhr: Soeben ist der Eurocity Transalpin aus Graz mit einer leichten Verspätung von 7 Minuten auf Gleis 4 eingefahren. Achteinhalb Stunden Fahrt quer durch Österreich hat der Zug schon hinter sich. 55 Minuten bis Zürich HB stünden ihm noch bevor. Theoretisch. Doch in Sargans bleibt er erst einmal stehen. Aus Chur kommt der Regio-Express, überholt und fährt weiter Richtung Zürich, mit sechs Zwischenhalten und knapp eineinviertel Stunden Fahrzeit. Der internationale Schnellzug zuckelt hinterher.
Gemächlich geht es entlang des Walen- und des Zürichsees. Immer wieder muss auf freier Strecke angehalten werden, um auf den Regio-Express nicht aufzufahren. Bei der Ankunft in Zürich hat der Zug schliesslich nicht 7, sondern fast 40 Minuten Verspätung. Einige Fahrgäste sind genervt, weil sie ihre Anschlüsse in Zürich verpassen, der österreichische Zugbegleiter hingegen resigniert: Das sei jetzt bei fast jeder Fahrt so, sagt er: «Aber die Schweizer sind stur. Die halten uns absichtlich auf.»
Vergangene Woche stellten Stadler Rail und SBB-Chef Andreas Meyer den neuen Superschnellzug Giruno vor, der mit bis zu 250 km/h die Schweiz mit dem Ausland verbinden soll. Erst mit Italien, später auch mit Deutschland und Österreich. Derzeit kann hingegen von Beschleunigung der internationalen Verbindungen keine Rede sein. Zumindest nicht aus dem östlichen Nachbarland. Ob Railjet, Transalpin oder Nachtzug: Wer zu spät kommt, muss warten.
Das ist weder Zufall noch Schlamperei, sondern Ergebnis eines knallharten Regimes: Züge, die von den ÖBB mit mehr als 7 Minuten Verspätung in Buchs SG übergeben werden, werden von den SBB nachrangig behandelt, müssen also dem Regionalverkehr den Vorrang lassen. Die Fahrzeit von Wien nach Zürich verlängert sich dadurch von 7 Stunden und 50 Minuten auf bis zu 8 Stunden und 30 Minuten. Mit dem Nachtzug können es 12 Stunden und mehr werden.
ÖBB haben resigniert
Seit einigen Wochen ist dieses Problem wieder besonders akut: Die Deutsche Bahn saniert die Strecke zwischen Rosenheim und Salzburg, die alle österreichischen Züge als Korridorstrecke benutzen. Durch die Bauarbeiten kommt es zu Verzögerungen, die dann in der Schweiz mit erzwungener Langsamfahrt nach Zürich bestraft wird.
Die Unannehmlichkeiten für die Kunden in den Zügen aus Österreich sei bedauerlich, aber die Planung für Verspätungen aus dem Ausland seien minutiös von verschiedenen Stellen innerhalb der SBB besprochen worden, sagt SBB-Sprecher Christian Ginsig: Alle anderen Planungen hätten negative Auswirkungen «für eine viel grössere Zahl von Reisenden anderer Züge». So sieht das auch Pro-Bahn-Präsidentin Karin Blättler: Im Gegensatz zu den verspäteten Zügen aus Italien hätten die SBB die Möglichkeit, «das innerschweizerische Angebot ohne Probleme aufrechtzuerhalten, selbst wenn Züge aus Österreich verspätet eintreffen». Es sei wenig sinnvoll, «wegen einer in Österreich oder Bayern verursachten Verspätung, einen grossen Teil des SBB-Angebots zu kompromittieren».
Vonseiten der ÖBB versuchte man schon vor einigen Jahren auf höchster Ebene, die SBB dazu zu bewegen, leicht verspäteten Zügen eine bessere Trasse zu geben. Vergeblich. Mittlerweile hat man resigniert: Die ÖBB hätten einige Halte der Railjets gestrichen, um die Pünktlichkeit bei der Übergabe an die SBB zu garantieren, sagt Sprecher Roman Hahslinger.
Eine Verbesserung ist in nächster Zeit trotzdem nicht in Sicht. Im Gegenteil: Von 29. Mai bis 30. Juni wird die Strecke durch Liechtenstein wegen Bauarbeiten komplett gesperrt. Wer dann mit dem Zug nach Österreich will oder aus Österreich kommt, muss zwischen Buchs und Feldkirch auf Busse umsteigen. Die Fahrt dauert eine gute Stunde länger, Velos werden überhaupt nicht transportiert, direkte Anschlüsse an die Züge in der Schweiz werden nicht garantiert.
Der Nachtzug aus Wien nach Zürich wird über St. Margrethen und St. Gallen umgeleitet. Aber auch hier gilt wieder die Maxime der SBB: Nationaler Verkehr geniesst Vorrang. Der schnellste Zug der SBB bewältigt die Strecke mit fünf Zwischenhalten in eineinhalb Stunden. Der Nachtzug aus Österreich braucht von St. Margrethen bis nach Zürich ohne Zwischenhalt zwei Stunden.
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