Wenn die Teflon-Kanzlerin auf den Klartext-Mann trifft
Am Sonntag duellieren sich die deutsche Kanzlerin Merkel und ihr Rivale Steinbrück das erste und einzige Mal vor der Bundestagswahl im Fernsehen. Das dürfte für Merkel anstrengend werden.

Kein Mal hat Angela Merkel in diesem Wahlkampf bisher den Namen des sozialdemokratischen Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück in den Mund genommen. Die deutsche Kanzlerin tut so, als hätte sie mit Blick auf die Bundestagswahl am 22. September gar keinen Herausforderer.
Und ein direktes Aufeinandertreffen mit ihrem einstigen Finanzminister ist selten. Etwa im Bundestag, wenn der SPD-Mann eine Rede der CDU-Vorsitzenden kontert oder bei Verbandsveranstaltungen, wenn sie nacheinander sprechen. Aber nun kommt das einzige Fernsehduell – 90 Minuten lang und live.
Für die gern präsidial auftretende Merkel vielleicht die grössere Anstrengung als für den streitbaren Steinbrück. Unter Anspannung stehen aber beide. Zwar ist die zeitgleiche Sendung in den Sendern ARD, ZDF, RTL, ProSieben und Phoenix an diesem Sonntag um 20.30 Uhr nicht wahlentscheidend.
Einziger Direktvergleich
Aber das Duell ist die einzige Gelegenheit für ein Millionen-Publikum, den 66-Jährigen und die 59-Jährige im direkten Vergleich nah und verwundbar zu erleben. Auf jedes Wort kommt es an. Gesagt ist gesagt. Und die Kameras halten gnadenlos drauf – auf Stirnrunzeln, zitternde Hände, Schweissperlen.
Vor vier Jahren schauten sich 14,2 Millionen Menschen das Duell zwischen Merkel und dem damaligen SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier an. 2005, als Merkel als Herausforderin auf den damaligen «Medien»-Kanzler Gerhard Schröder (SPD) traf, waren es 21 Millionen.
Merkel reitet nicht gerne Attacken. Sie glaubt, die Menschen stösst es ab, wenn sich Politiker anfeinden. Western-Fan Steinbrück hingegen liebt die Kavallerie. Er hätte gern mindestens zwei TV-Duelle gehabt.
Beim jüngsten direkten Aufeinandertreffen vor der Sommerpause im Bundestag liess er eine müde wirkende Merkel schlecht aussehen. Selbst die halbe Regierungsbank sei vom Schlaf überwältigt, sagte er angesichts Merkels zuvor gehaltener Rede zur Euro-Krise mit bereits vielen von ihr bekannten Äusserungen. Ein Satz habe ihm noch gefehlt, meinte Steinbrück und witzelte über Merkels Stil: «Eine gute Grundlage ist die beste Voraussetzung für eine solide Basis in Europa».
«Suboptimaler» SPD-Wahlkampf
Doch der SPD-Wahlkampf verläuft bisher «suboptimal». Erst kam Steinbrück nicht in Tritt, dann sorgten wiederholt Querschüsse von Parteichef Sigmar Gabriel intern für Kopfschütteln. Dieser unterstützte die Grünen-Forderung nach einem Tempolimit auf Autobahnen, Steinbrück musste von ihm Loyalität einfordern und zuletzt gab es Verwirrung um die öffentlich geäusserte vage Aussicht auf Steuersenkungen, wenn denn die Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerdumping Mehreinnahmen bringt.
Für Steinbrück, der sich gern als «Klartext«-Mann bezeichnet, ist das Duell fast die letzte Chance – um die Basis für den Schlussspurt zu motivieren. So ein TV-Duell sei immer die Chance des Kandidaten, heisst es bei Merkels Christdemokraten. Und es sei kein Geheimnis, dass Steinbrück rhetorisch begabter als Merkel sei.
Steinbrück will betonen, dass die SPD mit ihrem Rentenkonzept (850 Euro Solidarrente) sowie der Forderung nach einem gesetzlichem Mindestlohn (8,50 Euro) und einer Mietpreisbremse viel weiter als die Christdemokraten geht.
Vertrauen bei den Bürgern
Bei der Euro-Politik wirft er Merkel Kaputtsparen in Schuldenländern vor. Aber die SPD hat im Bundestag die Rettungspakete mitgetragen, und Merkel geniesst gerade wegen ihrer Europolitik und ihres harten Sparkurses Vertrauen bei den Bürgern.
Sie wird wieder erklären wollen, dass ihre christlich-liberale Regierung die erfolgreichste seit der Wiedervereinigung sei – und das mit Wirtschaftsdaten zu belegen versuchen. Spektakuläres, Neuigkeiten oder Nachrichten werden an diesem Sonntag eher nicht erwartet. Für die beiden Politiker kommt es darauf an, wer sich besser schlägt.
Die Frage wird sein: Wer hat das Duell in welchen Kategorien gewonnen? Wer wirkt glaubwürdiger? Wer sympathischer? Und spannend wird, wie sich TV-Spassvogel Stefan Raab (ProSieben) in die Reihe der Polit-Moderatoren Anne Will (ARD), Maybrit Illner (ZDF) und Peter Kloeppel (RTL) einbringen wird.
Steinbrück will nicht randalieren
Auf die Frage, wie sich Steinbrück auf das Fernsehduell mit der «Teflon-Kanzlerin», an der Kritik und Ungemach einfach abzuperlen scheint, vorbereitet habe, sagt er: «Gut. Da gehe ich ganz entspannt rein.»
Ein langjähriger Weggefährte ist sich aber nicht so sicher, dass Steinbrück das Duell gewinnen wird – die Gefahr bestehe darin, dass er überreize. Ehefrau Gertrud gibt ihm mit auf den Weg: «Das Einzige, was ich möchte, ist, dass er sich nie provozieren lässt. Man verliert, wenn man sich provozieren lässt.» Steinbrück verspricht, trotz des grossen Umfragerückstands nicht als Randalierer aufzutreten.
SDA/rbi
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