Wenn ein Brief zum Gemälde wird
Das Zürcher Künstlerduo Veli & Amos verschickt Kunst, die aus dem Rahmen fällt. Hinter ihrem Konzept steckt aber mehr als kindliche Freude am Spiel.

Manchmal ist Kunstkaufen kinderleicht. Name eingeben, auf bunte Icons klicken, bezahlen, ein schrilles Gemälde in der Länge eines Briefkastenschlitzes erhalten. Dass die Website, auf der dies möglich ist, aussieht wie ein Händler für Kinderspielzeug, passt bestens. Auf dem Bild, das bald ins Haus flattert, sind dann durcheinandergewürfelt bunte Tiere, Menschen oder persönliche Grussbotschaften. Es erinnert an eine Kinderzeichnung. Ein Wal ziert jene, die im Postfach des TA landete. Darüber der Wunsch, man möge doch in Erwägung ziehen, den Tag zu geniessen. Auf der Rückseite das Authentizitätslabel: «Das ist Original-Kunst von Veli & Amos.»
So heissen die beiden Zürcher Künstler, die für diese Art von Kunstversand verantwortlich zeichnen. Ein Werbeslogan, der dazu passen würde. Einfach, witzig, verständlich, gut. Die Frage bleibt: Was hat das mit echter Kunst zu tun?
Man spürt es irgendwie
Leicht zu beantworten ist das nicht. Ein paar Hinweise gibt aber ein Gespräch mit einem der beiden Künstler, Amos Bollag, Künstlername: Amos Angeles. Er sagt Sachen wie: «Wer will, kann für vergleichsweise wenig Geld Teil eines grossen Gesamtkunstwerkes werden.» Worin dieses besteht, kann er zwar auch nicht genau benennen, trotzdem spürt man es – irgendwie.

Es hat mit Demokratisierung von Kunst zu tun. Mit der Veränderung in der Galerienlandschaft, angetrieben durch die Digitalisierung. Mit Reaktionen auf einen aufgeblasenen Kunstmarkt, den die beiden Künstler beobachten. Mit kindlicher Freude am Spiel. Schon der Titel der Arbeit weist in letztgenannte Richtung: «This is not a commercial». Das ist keine Werbung. Ein Bild mit einer Leuchtschrift mit diesem Satz haben die Künstler auf Instagram als Werbung geschaltet. Alles doppelbödig, ja. Auch alles klar?
Erst mal zur Faktenlage: Einige der Gemälde haben Veli & Amos bereits vorgemalt, andere fertigen sie auf Bestellung an. Zum Gesamtkunstwerk gehört, dass sie die Post nicht frankieren, weshalb der Pöstler einen Kleber für nicht frankierte Post aufkleben muss. Ab dem 7. Juni gibt es die Bilder für 250 Euro Anfangspreis zu kaufen. Von einem erstandenen Bild zum nächsten steigt der Preis um 1 Prozent. Somit soll belohnt werden, wer sich früh eines «dieser Originale» kauft. Somit ist diesem Kunstprojekt eine zeitliche Grenze gesetzt, da niemand dafür vierstellige Beträge bezahlt.
Fakt ist auch, dass Veli & Amos das Kunstprojekt in der prestigeträchtigen Zürcher Galerie Barbara Seiler an einer Vernissage vorstellen. Ein wichtiger Schritt für das Künstlerduo, das schon seit einiger Zeit auf sich aufmerksam zu machen versteht.
Pakete mit unbekanntem Inhalt
Die Galeristin Barbara Seiler, die ihren Kunstraum seit einiger Zeit auf dem Löwenbräu-Areal betreibt, verfolgt das Schaffen von Veli & Amos schon lange. Auch sie hat neulich vom Duo Post erhalten. Ein Gemälde mit der Aufschrift: «Dear Barbara, we would like to apologize for absolutely nothing. Thank you.» Liebe Barbara, wir möchten uns für rein gar nichts entschuldigen. Zuletzt haben Veli und Amos von Jamaika aus Seiler zudem mehrere Pakete geschickt. Einige sind angekommen, andere nicht. Auch das Unberechenbare gehört zu dieser Kunst. Und es ist ein amüsantes Gegenstück zu optimierten Lieferwegen von Konzernen wie Amazon. Die Pakete mit unbekanntem Inhalt werden an der Vernissage geöffnet – und danach ausgestellt.
Seiler möchte aber auch betonen, dass es Veli & Amos nicht alleine um Spass geht, wie man leicht vermuten könnte. «Die Künstler haben ein feines Gespür für drängende Themen», sagt Seiler. So würden sie etwa Rollen in der Kunstwelt hinterfragen. Für Seiler stellen die Postkarten, die ohne Zwischenhändler auskommen, auch die Frage, wozu es eigentlich Galeristinnen wie sie braucht. Eine Frage, die Seiler nun in ihrer Galerie thematisiert.
Eine andere Frage, die die Postkarten aufwerfen, betrifft den Kunstkonsumenten selber. Bei Veli und Amos wird er, wie der Pöstler auch, zum Teilnehmer. Dadurch, dass er beim Bestellprozess Messages hinterlegt. Damit würden sie auch Leute ansprechen, die sich wenig für Kunst interessieren, sagen die Künstler. «Die Leute schliessen mit dem Kauf zudem eine Lebensversicherung ab», sagt Bollag. Denn diese Bilder werden irgendwann an Wert gewinnen, sagt er. Ernst oder Spass? Wie immer von beidem ein wenig. Klar ist: Diese Kunst ist zwar schwer zu durchschauen, doch sie spricht viele an.
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