Wenn ein Teil aus dem Familien-Puzzle herausgerissen wird
Sabine Forgiano hat nach langer Suche ihre Schwester wiedergefunden. Das hat alte Wunden aufgerissen.
Von Ines Rütten Steinmaur – «Ich habe das Gefühl, endlich ein Puzzleteil gefunden zu haben, das mir mein Leben lang gefehlt hat», sagt Sabine Forgiano. «Das bringt mir eine innere Ruhe, die ich vorher nicht gekannt habe.» Sie spricht von ihrer Schwester Nadine, die sie vor kurzem wieder in die Arme schliessen konnte. Der Fernsehsender TeleZüri hat die Spuren der vermissten Nadine verfolgt, nach der ihre Geschwister 35 Jahre lang suchten. «Ich habe das Gefühl, sie schon lange zu kennen», sagt Sabine Forgiano. «So, als ob sie schon immer bei mir ein und aus gegangen wäre.» Der Tag, an dem Nadine aus ihrem Leben verschwand, ist Sabine Forgiano im Gedächtnis geblieben: Sie ist zehn Jahre alt und ihre kleine Schwester erst seit drei Monaten geboren. Als Sabine und ihr jüngerer Bruder Pierre von der Schule kommen, stehen ihre Koffer fertig gepackt im Flur. Eine Tante aus Basel kommt die beiden abholen. «Wir haben schrecklich geweint, durch die Heckscheibe des Autos sahen wir unsere verzweifelte Mutter, mit Nadine im Arm.» Schwester war Tabuthema Als die Kinder von den «Ferien» bei der Tante zurückkommen, ist das Baby weg – die Lücke im Puzzle entsteht. Seither war Nadine ein Tabuthema in der Familie. «Wir wussten irgendwann, dass sie zur Adoption freigegeben worden war. Aber sonst haben wir nie über unsere Schwester gesprochen», erinnert sich Forgiano. «Wir waren in unserer Kindheit mit so vielen Problemen und so viel Unerwartetem konfrontiert, dass wir gar nicht mehr gefragt haben, warum etwas so ist, wie es ist.» Die heute 46-Jährige weiss aber, dass ihre Mutter ihr Leben lang darunter gelitten hat. «Auch wenn sie es nie ausgesprochen hat.» Auch Sabine und Pierre hat der Verlust der Schwester beschäftigt. Immer wieder haben sie über den traurigen Tag in ihrer Kindheit gesprochen, sich nach der vermissten Schwester gesehnt. «Ich habe immer zu meinem Bruder gesagt, dass wir Nadine eines Tages wiedersehen werden, dass ich sie finden werde», sagt Forgiano. Doch die Suche war schwierig. Aus Datenschutzgründen blitzte sie bei den Ämtern ab, ihre Mutter wollte über das Thema nicht sprechen. Letztes Jahr ist Sabines Forgianos Bruder Pierre unerwartet verstorben. «Ich war unendlich traurig, wir haben so viel zusammen durchgestanden.» Doch sie unternimmt einen weiteren Anlauf, ihre Schwester zu finden. Sie meldet sich beim Fernsehsender TeleZüri, deren Reporter sich in einer neuen Serie auf die Suche nach Vermissten machen. «Ich hatte nichts zu verlieren», sagt Forgiano. Nur an die Chance, ihre Schwester zu finden, habe sie gedacht. «Ein trauriges Happyend» Die Fernsehleute hatten Erfolg. Nadine lebt heute in Wädenswil und hat einen 8-jährigen Sohn. «Wir telefonieren und treffen uns regelmässig, tauschen uns aus und sind glücklich, dass wir uns wiederhaben», sagt Forgiano. Viele alte Wunden hat das Wiedersehen aufgerissen. Nadine war jahrelang in Heimen und Pflegefamilien. Von ihren leiblichen Geschwistern wusste sie nichts. «Wir brauchen jetzt Zeit, unsere Vergangenheit zu verarbeiten, Normalität zu finden, das Puzzle zusammenzufügen», sagt Sabine Forgiano. Sie ist stolz auf sich, denn sie konnte das Versprechen, das sie ihrem Bruder gegeben hat, halten: «Die Geschichte hat für mich ein trauriges Happyend – ich habe einen Bruder verloren, aber eine Schwester gefunden.» TeleZüri strahlt heute und morgen Abend, jeweils um 18.20 Uhr, zweiweitere Teile der Geschichte von Nadine und Sabine in der Sendung «Spurlosverschwunden» aus. Sabine Forgiano (r.) blättert mit ihrer Tochter im Familienalbum. Foto: TeleZüri
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