Wenn Twitter das Schulbuch ersetzt
Im französischen Ort Seclin hat der Kurznachrichtendienst den Weg ins Schulzimmer gefunden. Eine Lehrerin setzt Twitter dort im Leseunterricht ein - äusserst erfolgreich, wie sie betont.

Auf die Frage, wer denn laut vorlesen will, recken fast alle Schüler die Finger in die Höhe. Dabei sind die Siebenjährigen in der Privatschule Immaculée Conception im nordfranzösischen Seclin auch nicht lesefreudiger als anderswo. Doch die Kinder dürfen aus dem Kurznachrichtendienst Twitter vorlesen, und den finden sie «cooler» als ihre herkömmlichen Lernbücher. «Auf Twitter gibt es Bild und Ton, doch das mindert das Interesse an der Schrift nicht, im Gegenteil», sagt die Lehrerin Céline Lamare zu ihren Erfahrungen.
Seit September setzt die junge Frau mit den halblangen lockigen Haaren die Kurznachrichten von maximal 140 Zeichen, die sogenannten «Tweets», in ihrem Leseunterricht ein. Statt morgens wie in anderen Schulen die schwarze Tafel aufzuklappen, schaltet sie eine Art Riesenbildschirm an, auf dem in Grossformat die Mitteilungen anderer Klassen in Frankreich, Belgien und Kanada erscheinen. Eine Nachricht aus Kanada ist vom Bild einer verschneiten Landschaft begleitet, das bei den Kindern Begeisterung hervorruft.
Projekt auch in anderen Ländern
Die Schüler in Seclin verfassen dann kurze Antworten auf die Botschaften, die sie erst in ihr Heft schreiben müssen und die dann korrigiert werden. «Guten Tag, ich heisse Elise, ich wohne in Seclin und bin sieben Jahre alt», schreibt eine Schülerin. «Die 140 Zeichen bei Twitter passen gut zu ihrer Lernstufe», sagt die Lehrerin. Ausserdem zwinge der Kurznachrichtendienst die Kinder, an ihre «Leser» zu denken und gebe so der Übung zusätzlich Sinn. «Man kann mit anderen Klassen reden, also strengt man sich mehr an», sagt die kleine Valentine.
Schulprojekte mit Twitter existieren auch in anderen Ländern, darunter in Deutschland. Doch meist ist es die Oberstufe, die mit dem Kurznachrichtendienst ihren Diskussionen eine neue Form verleiht. In Frankreich gibt es auf der Website Twittclasses 124 solcher Projekte, davon 37 für die Grundschule.
Eltern positiv eingestellt
Da die Kinder sowieso mit dem Computer aufwachsen, lenkt der Bildschirm nach Ansicht von Lehrerin Lamare auch nicht vom Lernen ab. Im Gegenteil: «Wenn sie keinen Bildschirm vor sich haben, hören sie nicht zu.» Ihre Schüler sind so sehr mit dem Computer vertraut, dass sie von sich aus Fotos auf einen USB-Stick laden und in die Schule mitbringen, um sie über Twitter zu verschicken.
Auch die Eltern stehen dem Projekt der Lehrerin zufolge positiv gegenüber. Anfangs seien sie noch skeptisch gewesen, was die Vertraulichkeit der sozialen Netzwerke angeht. Inzwischen aber «reden sie nur noch über den Spass, den die Kinder damit in der Schule haben».
AFP/kpn
Fehler gefunden?Jetzt melden.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch