Wer am Zürcher Utoquai randaliert hat
Ein «klassisches Frühlingsphänomen» wird am Zürcher Seeufer zum Problem. «Da bekommt man echt Angst», sagt ein Gastronom.

Das Utoquai kam am letzten Wochenende nicht zur Ruhe. Schon in der Nacht von Donnerstag auf Freitag musste die Stadtpolizei ausrücken, weil beim Restaurant Pumpstation am Seebecken ein Container brannte. Am Samstagabend standen erneut Container in Flammen – beide Male wurden die ausgerückten Einsatzkräfte vor Ort mit Steinen und Flaschen beworfen.
Die Situation artete am Samstag derart aus, dass die Polizei Tränengas, Gummischrot und am Ende sogar einen Wasserwerfer einsetzen musste. Die Bilanz der Einsätze vom Osterwochenende am Utoquai: ein verletzter Polizist, vier verhaftete Jugendliche im Alter zwischen 15 und 19 Jahren und drei zerstörte Container.
Hinzu kommt noch ein gefluteter Keller, wie Pumpstation-Inhaber Michel Péclard sagt. «Die Polizei hat mit etwa 15 Personen unser Restaurant gesichert. Trotzdem haben sie mit einem Schlauch Wasser in unseren Keller geleitet.» Dass zum wiederholten Mal Ausschreitungen bei der Pumpstation stattfanden, sei hingegen reiner Zufall. «Aber für unser Geschäft ist es ein totaler Mist. Abends um 19 Uhr will sich niemand mehr am Utoquai aufhalten, wenn aggressive Jugendliche herumlungern.»
«Es ist richtig krass geworden. Die Jugendlichen machen alles kaputt. Da bekommt man echt Angst.»
Der Gastronom macht vor allem 15- bis 20-Jährige aus, die sich am See treffen, dort abhängen und trinken. «Sie sind immer ganz anständig, wenn sie hier ankommen. Dann kaufen die Älteren von ihnen den harten Alkohol beim Grossisten, und wenn sie dann betrunken sind, werden sie aggressiv.»
Organisierte Gruppen wie beispielsweise Fussballfans macht Péclard nicht aus. Es seien einfach irgendwelche Jugendliche, die am See zusammenkommen und trinken. «Ich kann es sogar verstehen, dass sie das machen: Sie können in keine Clubs rein und haben keinen Ort, wo sie sich sonst treffen könnten.» Letztes Jahr habe es allerdings angefangen, schlimmer zu werden. «Jetzt ist es richtig krass geworden. Sie machen alles kaputt. Da bekommt man echt Angst», sagt er.
Junge ohne Trinkerfahrung
Auch Christian Fischer, Abteilungsleiter der aufsuchenden Sozialarbeit Sicherheit Intervention Prävention (SIP) Zürich, beobachtet diesen Trend: «Die Zahl der jungen Leute, die sich im öffentlichen Raum betrinken, hat seit den Nullerjahren zugenommen.»
Die SIP sei jeden Freitag- und Samstagabend am Zürcher Seeufer unterwegs und treffe dort bei schönem Wetter immer viele Jugendliche und junge Erwachsene an. Laut Fischer vor allem 14- bis 30-Jährige. «In dieser Altersgruppe geht es hauptsächlich ums Kennenlernen. Und wenn ein Mädchen aus einer Gruppe von einem Jungen aus einer anderen Gruppe angemacht wird, dann kann es zu Reibereien kommen.»
Das Seeufer sei schon immer ein Treffpunkt gewesen, wo Jugendliche sich verabreden, wenn sie aus der Agglomeration in die Stadt kommen. Und je mehr Personen zusammenkommen, desto angespannter ist laut Fischer die Situation. «Es wird dann immer reichlich gebechert. Für einige ist es ein Vorglühen, bevor es in die Clubs geht, andere bleiben am See und trinken weiter. Deshalb kann die Stimmung sehr gereizt sein.»
Fischer spricht von einem «klassischen Frühlingsphänomen»: Junge Leute, die wenig Erfahrung mit Alkohol haben, kommen draussen zum Trinken zusammen. Das könne zu Schwierigkeiten führen. «Am letzten Wochenende mussten wir die Sanität rufen, weil mehrere Jugendliche wegen zu viel Alkohols in kritischem Zustand waren.»
Eltern in die Pflicht rufen
Bei der Pumpstation gab es laut Péclard ähnliche Szenen. «Zwei Frauen waren offenbar so betrunken, dass sie keine Kleider mehr anhatten. Baba, unser Grillchef, hat ihnen etwas zum Anziehen gegeben.» Eigentlich müsse man die Eltern in die Pflicht nehmen, sagt der Gastronom weiter. «15-Jährige, die derart besoffen sind, das kann doch nicht sein.»
«Die Polizei tut mir richtig leid. Sie gibt sich wirklich grosse Mühe, die Situation im Griff zu haben.»
Der Polizei könne man hingegen nichts vorwerfen. Im Gegenteil. Die Polizei tue ihm leid. Sie gebe sich wirklich grosse Mühe, die Situation im Griff zu haben. «Aber da sind jeweils bis zu 400 aggressive Jugendliche unterwegs», behauptet Péclard. Selbst der Einsatz von Gummischrot und Tränengas vom Wochenende habe letztendlich nichts gebracht.
Die Stadtpolizei selbst hat laut Sprecher Marco Cortesi bereits vor Wochen die Präsenz am Seebecken stark erhöht und patrouilliere regelmässig. Dass es dort immer wieder zu Ausschreitungen kommt, bezeichnet Cortesi als gesellschaftliches Problem: Weil oft Alkohol und Drogen konsumiert werden, wenn junge Menschen an schönen Tagen zu Tausenden ans Zürcher Seebecken kommen, brauche es wenig, bis eine Situation unter Gruppierungen eskaliere.
«Bisweilen ist es so, dass die Jugendlichen – meist Teenager – regelrecht darauf warten, bis die Einsatzkräfte kommen. Kaum sind die Blaulichtorganisationen vor Ort, fliegen schon die ersten Steine und Flaschen.»
«Bisweilen ist es so, dass die Jugendlichen – meist Teenager – regelrecht darauf warten, bis die Einsatzkräfte kommen, um beispielsweise ein Feuer zu löschen. Kaum sind die Blaulichtorganisationen vor Ort, fliegen schon die ersten Steine und Flaschen.» Trotzdem müssen die Einsätze laut Cortesi stets verhältnismässig bleiben. Inzwischen wurde einer der vier am Wochenende verhafteten Jugendlichen wieder aus der Haft entlassen, drei hat die Polizei der Jugendanwaltschaft übergeben. Dem Polizisten, der am Utoquai verletzt wurde, geht es laut Cortesi inzwischen wieder besser.
Fehler gefunden?Jetzt melden.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch