«Wer mich engagiert, ist selber schuld»
Ohne Daniel Fueter wäre weit weniger los im Zürcher Kulturbetrieb. Der Pianist, Komponist und Familienmensch ist überall – gern auch abseits des Rampenlichts.

Auf dem Programmblatt fehlt sein Name. Auch beim Schlussapplaus bleibt er sitzen, der gehört anderen: dem Pianisten Oliver Schnyder, der für Stücke aus Liszts «Année de Pèlerinage – Suisse» ins Theater Rigiblick gekommen ist, obwohl er anderswo zweifellos eine höhere Gage erhalten hätte. Und der Schauspielerin Charlotte Schwab, die extra aus München angereist ist, um Balladen von Conrad Ferdinand Meyer vorzutragen.
Dabei hätte der Abend nicht stattgefunden ohne ihn, den «Kurator, der sich aufgedrängt hat»: So nennt sich Daniel Fueter im Nachwort zum Balladenprogrammbuch, Band drei. Das mit dem Aufdrängen stimmt natürlich nicht, Fueter ist viel zu diskret dafür, ellbögeln können andere. Er hat es ja auch nicht nötig, seine Agenda ist kurz vor seinem 70. Geburtstag prallvoll: mit Konzerten, Theaterprojekten, auch mit Reden. Wenn der Komponist Peter Wettstein demnächst 80 wird, hält Fueter die Laudatio; wenn am selben Tag der Jazzer Nik Bärtsch den Zürcher Kunstpreis bekommt, ist er auch dort zuständig für die Ansprache. «Ich lobe halt gern», sagt er beim doppelten Espresso vor dem Rigiblick und grinst.
Ein Balladenabend war gefragt. Fueter lieferte erst zehn, dann wurden es dreissig.
Nur sich selbst lobt er nicht so gern. Seine Kompositionen bezeichnet er auch mal als «Liedli», und wenn er seine Theatermusik «brauchbar» nennt, dann nur in Abgrenzung zur Filmmusik: «Die ist wirklich nicht gut.» Klar, es gibt auch Dinge, auf die er in derselben sachlichen Art stolz ist: etwa darauf, dass er einst als Direktor der Zürcher Musikhochschule massgeblich dafür gesorgt hat, dass das Toni-Areal entstehen konnte.
Oder nun eben auch auf dieses Balladenprojekt, das sich einfach so ergeben hat, wie so oft bei ihm. Rigiblick-Chef Daniel Rohr hatte die Idee, einmal einen Balladenabend zu veranstalten. Fueter überlegte kurz und lieferte dann gleich zehn Programme, eine ganze Saison, Fortsetzung möglich. Nun ist die Reihe ins dritte Jahr gestartet, es soll das letzte sein. Dreissig Balladen-Konzerte werden dann stattgefunden haben, dreissig Abende mit einer Gattung, die jeden bilanzbewussten Veranstalter erblassen lässt. Vor vollem Haus, das muss man sich mal vorstellen.
Musizieren in der (erweiterten) Familie
Von einem Familientreffen sprach Daniel Rohr bei seiner Begrüssung an diesem Abend, passenderweise. Denn Fueter ist nicht nur Kurator, Pianist, Komponist und Sprecher, er ist auch und vor allem ein Familienmensch. Mit seinen Töchtern, der Schauspielerin Mona Petri und der Sängerin Rea Claudia Kost, und mit dem Sänger-Schwiegersohn Niklaus Kost wird er den Balladen-Abend vom 9. Dezember bestreiten. Auch mit seiner Frau, der Pianistin Eriko Kagawa, arbeitet er oft zusammen (derzeit etwa als Kurator für den Rigiblick-Abend über die Schriftstellerin Colette, den sie demnächst zusammen mit der Schauspielerin Graziella Rossi präsentieren wird).
Das sei das Schönste, dieses Musizieren mit der Sippe, sagt Fueter: «Da gibt es keine Grundsatzdiskussionen. An Details feilen wir wie verrückt, aber in der Ästhetik sind wir uns einig.»
Fast so wichtig ist seine erweiterte Familie, die sich in diesen Balladenprogrammen versammelt, auf der Bühne wie im Publikum. Den Pianisten Oliver Schnyder etwa hat Daniel Fueter als zehnjährigen Buben kennen gelernt, «seine Klavierlehrerin fiel aus und schickte ihn für ein paar Lektionen zu mir, wir erarbeiteten Mozart-Kadenzen». Fueters Mutter war auch da, die Schauspielerin Anne-Marie Blanc, «Oliver war ganz angetan von ihr». Seither blieb man in Kontakt.
«Sie nennen es Meisterklasse, ich nenne es Chansonkurs.»
Auch sonst gehören viele ehemalige Schülerinnen und Schüler zu dieser erweiterten Familie – weil Fueter rein gar nichts gemeinsam hat mit dem stieren Klavierlehrer, den er einst in Fredi Murers Wunderkindfilm «Vitus» dargestellt hat. Die Virtuosenkarriere sah er nie als einzige Option, «man muss heute ganz unterschiedliche Musikerbiografien denken». Seine Offenheit für alle möglichen Stile, Orte und Menschen hat er weitergegeben und tut es bis heute. Nach wie vor unterrichtet er in Karlsruhe, demnächst auch wieder einmal an der ZHDK: «Sie nennen das Meisterklasse, ich nenne es Chansonkurs.» Ein typischer Fuetersatz.
Nur nicht päpstlich werden!
Danach kommt dann allerdings einer, den man nicht erwarten würde: In einem Jahr werde er aufhören als Pianist, sagt Daniel Fueter, «exakt an meinem 71. Geburtstag werde ich den letzten Liederabend spielen». Er habe immer Angst vor den Auftritten, «und irgendwann muss man sich diese Angst nicht mehr antun». Auch unterrichten werde er danach nicht mehr, weil die beiden Dinge zusammengehören: «Ich befürchte, dass ich päpstlich werde, wenn ich nicht mehr selber beweisen muss, dass ich es noch kann.»
Als Redner und Sprecher wird er dagegen weiter auftreten, das geht ohne Lampenfieber: «In diesem Bereich bin ich Dilettant, wer mich engagiert, ist selber schuld.» Er wird auch weiterhin Projekte kuratieren, Programme entwickeln, Töne und Texte kurzschliessen, mitproben, mitfiebern.
Und vielleicht wird er irgendwann noch einmal die «Winterreise» aufführen, zusammen mit dem Schwiegersohn: «Ganz allein, nur für uns.»
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