Wer nach zehn Jahren erkrankt, erhält kein Geld
Asbest-Opfer, die mehr als zehn Jahre nach dem letzten Kontakt mit der gefährlichen Faser erkranken, können vom Arbeitgeber keinen Schadenersatz mehr verlangen. Das hat das Bundesgericht entschieden.
Ein früherer Angestellter der Maschinenfabrik Oerlikon (heute Alstom Schweiz) war bei seiner Arbeit zwischen 1966 und 1978 mit Asbeststaub in Kontakt gekommen. 2004 wurde bei ihm Brustfellkrebs entdeckt, an dem er im folgenden Jahr verstarb.
Kurz zuvor hatte er gegen seine frühere Arbeitgeberin noch eine Schadenersatz- und Genugtuungsklage über 212'000 Franken erhoben, da seine Erkrankung durch die Asbestexposition am Arbeitsplatz verursacht worden sei. Die nach seinem Tod von den zwei Töchtern weitergeführte Klage wurde von der Aargauer Justiz abgewiesen.
1978 mit Asbest in Kontakt getreten
Das Obergericht hatte sich auf den Standpunkt gestellt, dass die zehnjährige Verjährungsfrist für vertraglichen Schadenersatz nicht im Zeitpunkt zu laufen beginne, wo der Schaden eintrete. Massgebend sei vielmehr der Moment, in dem der Betroffene zuletzt Asbest ausgesetzt gewesen sei, in diesem Fall also 1978.
Das Bundesgericht hatte die Beschwerde der beiden Töchter im letzten November abgewiesen. In der nun vorliegenden schriftlichen Begründung seines Grundsatzurteils verweist es zunächst auf Artikel 127 des Obligationenrechts, wonach Forderungen innert zehn Jahren verjähren, sofern das Gesetz nicht explizit etwas anderes vorsieht.
Lehre kritisiert die Rechtsprechung
Bei Schadenersatz- und Genugtuungsforderungen aus vertragswidriger Körperverletzung beginne diese Verjährungsfrist gemäss bundesgerichtlicher Praxis zeitgleich mit der erfolgten Verletzung zu laufen. Ein Teil der Lehre kritisiere diese Rechtsprechung zwar.
Es bestehe jedoch objektiv kein Grund, von der bisherigen Praxis abzuweichen. Würde der Schadenseintritt als massgeblicher Zeitpunkt genommen, würde vielmehr das Institut der Verjährung ausgehöhlt. Dabei gehe es auch darum, dass der Schuldner nicht auf unbestimmte Zeit im Unklaren über seine Leistungspflicht gelassen werden solle.
Weiterzug nach Strassburg
Bei Asbest-Opfern bestehe wohl das Problem, dass Krankheiten erst lange Zeit nach dem Kontakt auftreten würden. Der Gesetzgeber habe indessen darauf verzichtet, die Verjährung in solchen und ähnlichen Fällen generell zu verlängern. Nur in bestimmten Bereichen, etwa bei der Kernenergiehaftung, habe er die Frist auf 30 Jahre erhöht.
Die zehnjährige Frist bei Asbestschäden stelle auch keine grundrechtswidrige Diskriminierung von Asbest-Opfern dar. David Husmann, Anwalt der beiden Töchter, wird Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte erheben.
Das Bundesamt für Justiz (BJ) ist gegenwärtig damit befasst, eine Vernehmlassungsvorlage zur Verlängerung der Verjährungsfristen bei Spätschäden, wie sie bei Asbest auftreten, auszuarbeiten. Die Vernehmlassung soll gemäss BJ-Pressesprecher Folco Galli voraussichtlich Mitte Jahr eröffnet werden.
SDA/pbe
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