Wer vom Jahrhundert-Bauwerk profitiert, und wer in die Röhre schaut
Urner Gemeinden begrüssen, dass der Schwerverkehr vermehrt auf die Schienen ausweichen dürfte. Im Tessin beklagt man derweil negative Folgen für die Umwelt.

Nördlich und südlich des Gotthards sind mit der Eröffnung des Basistunnels im Dezember 2016 viele Hoffnungen verbunden. Diejenigen aber, die nicht an die neue Schnellbahn angebunden sind, fürchten abgehängt zu werden.
Die Gemeinde Göschenen im Kanton Uri, wo sich das Nordportal des Gotthard-Scheiteltunnels befindet, wird mit dem neuen Basistunnel zu einem Nebenschauplatz. Ist der 57 Kilometer lange Tunnel betriebsbereit, verschwinden die Züge bereits zwanzig Kilometer weiter nördlich und 600 Meter tiefer in Erstfeld in der Röhre.
Ab Göschenen zum Matterhorn
Es sei für die Gemeinde wichtig, über die Gotthard-Bergstrecke ans Transitnetz der SBB angebunden zu bleiben, sagt der Gemeindepräsident von Göschenen, Felix Calvetti, auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda. Er verweist darauf, dass in Göschenen auf die touristisch wichtige Matterhorn Gotthard Bahn umgestiegen werden könne.
Der neue Basistunnel hat für die Urner Gemeinde auch positive Seiten. Göschenen erhoffe sich von der Eröffnung der Neuen Eisenbahn-Alpentransversale (Neat), dass der Schwerverkehr im Tal stärker von der Strasse auf die Schiene verlagert werde, sagt Calvetti.
Züge halten nicht
Auf der südlichen Seite des Gotthards fürchtet die Region der Tre Valli (Riviera, Leventina, Blenio) abgehängt zu werden. In Biasca werden zumindest zu Beginn keine Züge halten, die auf der neuen schnellen Strecke unterwegs sind.
Aktuell blieben der Region nur die negativen Umweltfolgen, weil ein Teil des Gebiets dem Streckenbau geopfert worden sei, erklärt der Tessiner Nationalrat Fabio Regazzi (CVP). Gleichzeitig könne die Region wegen des fehlenden Halts die wirtschaftlichen Vorteile der neuen Transversale nicht voll nutzen.
Tessin als «Naherholungsgebiet des Mittellandes»
Folgen wird der Basistunnel für den Tessiner Tourismus haben. Die Neat könnte das Tessin ähnlich stark prägen wie die Eröffnung der Gotthard-Bahn im 19. Jahrhundert, sagt Omar Gisler vom Tourismusverband Ticino Turismo.
Mit der Fahrzeitverkürzung, die aus dem Bau des Gotthard- und Ceneri-Basistunnels resultiere, schwinde die Distanz zur Deutschschweiz auf ein historisches Minimum. So könne das Tessin zu einer Art «Naherholungsgebiet des Mittellandes avancieren, sagt Gisler.
Stärkt auch die Konkurrenz
Ebenso schnell wie die Gäste ins Tessin gelangen, könnten sie aber auch wieder verschwinden. Die Tessiner Hotellerie und Gastronomie müssten deshalb bei ihren Gästen noch stärkere Überzeugungsarbeit leisten, damit diese auch länger blieben, sagt Gisler. Die Neat stärke auch die italienische Konkurrenz.
Gemäss einer Studie des Tessiner Departements für Wirtschaft von 2014 könnten im Kanton mit Eröffnung der beiden Basistunnel zwischen 700 und 1«400 neue Arbeitsplätze entstehen. Hoffnungen machen können sich vor allem der Dienstleistungssektor und die Logistik.
Nach Inbetriebnahme des Ceneri-Basistunnels 2019 werden sich die Fahrzeiten zwischen Lugano, Bellinzona und Locarno verkürzen. Der Wissensaustausch und die Mobilität von Fachkräften können sich auf diese Weise verbessern, wie die Autoren der Studie ermittelt haben.
Das Tessin wolle durch die Neat auch in Forschung und Entwicklung zulegen, sagt Stefano Rizzi vom Tessiner Wirtschafts- und Finanzdepartement. Als Beispiele nannte er ein Forschungsinstitut für Biomedizin in Bellinzona und den Campusneubau am Bahnhof in Lugano.
SDA/kko
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