Westerwelle auf den Spuren des arabischen Frühlings
Bei seinem Besuch in Tripolis hat der deutsche Aussenminister, Guido Westerwelle, den Libyern weitere Unterstützung für den Wiederaufbau zugesagt. Für das Land sei dies die Stunde Null, sagte er.

Dunkle Wolken hängen über Tripolis, als der deutsche Aussenminister, Guido Westerwelle, auf dem Flughafen aus der Transall-Maschine der Bundeswehr steigt. «Es ist deutlich frühlingshafter hier als in Deutschland», sagt Westerwelle dem libyschen Vize-Aussenminister Mohammed Abdul Asis, der ihn soeben in fliessendem Deutsch begrüsst hat.
Das politische Klima in der libyschen Hauptstadt ist freilich weniger milde als das Wetter: «Wir hören hier immer noch regelmässig Schusswechsel», berichtet der deutsche Botschafter Rainer Eberle auf dem Weg in die Stadt.
Werbung für die deutsche Wirtschaft
Seit gestern befindet sich der deutsche Aussenminister in Nordafrika auf den Spuren des arabischen Frühlings. Es ist ein Thema, mit dem der FDP-Politiker im vergangenen Jahr mit acht Besuchen in der Region mehr Profil zu gewinnen versuchte. In Tripolis ist Westerwelle seit dem Tod des Machthabers Muammar al-Ghadhafi im vergangenen Oktober zum ersten Mal. Er wirbt vor allem für die deutsche Wirtschaft, die sich mit Techniken für erneuerbare Energien und Medizin in dem eigentlich reichen Libyen auch gute Geschäfte erhofft.
«Das ist ja für das neue Libyen gewissermassen die Stunde Null», sagt Westerwelle nach seinen Gesprächen in Tripolis. «Wir wollen dabei sein, dass sie ihre Chancen nutzen können.» Die Entscheidung Deutschlands, sich bei dem Nato-Militäreinsatz über Libyen zu enthalten, nimmt der libysche Übergangsrat dem Minister offenbar nicht mehr übel: Deutschland werde auch künftig beim Wiederaufbau eine grosse Rolle spielen, sagt Westerwelles Kollege Aschur bin Tschajal - und fügt diplomatisch hinzu: «auch wenn viele Positionen am Anfang vielleicht nicht so begrüsst wurden».
Unruhen im Land
Ob jedoch Libyen in Zukunft die vom Westen erhoffte Demokratisierung angeht, ist alles andere als klar. Ein seit 40 Jahren bestehendes Verbot politischer Organisationen hob der Übergangsrat zwar Anfang des Jahres auf. Ob der künftige Kurs eher weltlich oder islamisch geprägt sein wird, ist offen, wie auch der Streit um die Frauenquote in der künftigen Verfassungsversammlung zeigt. Frauenrechtsgruppen laufen Sturm gegen die Pläne, nur 20 von 200 Plätzen an Frauen zu vergeben.
Die Terrororganisation al-Qaida hat indes ein Auge auf das Land geworfen: Libyen müsse sich zum Islam bekennen und das Scharia-Recht einführen, forderte kürzlich al-Qaida-Chef Aiman el Sawahiri. Mit Unruhe blickt die internationale Gemeinschaft auch auf die immer wieder aufflammenden Kämpfe von verfeindeten Milizen.
Unterstützung aus Deutschland
Algerien, das Westerwelle vor seinem Kurztrip nach Tripolis besuchte, sorgt sich um die grosse Zahl von Waffen und Munition, die seit dem Sturz Ghadhafis unkontrolliert im Nachbarland im Umlauf sind. Raketen und chemische Kampfstoffe in den Händen von al-Qaida-Rebellen in der Südsahara könnten die Region weiter destabilisieren.
Deutschland kann den Aufbruch in Nordafrika und der arabischen Welt vor allem mit seiner wirtschaftlichen Stärke unterstützen - so lautet die Botschaft, die Westerwelle in seinem eng getakteten Zeitplan bei Treffen mit Regierungsvertretern, Oppositionellen und Unternehmern verankern will. Im bislang von nennenswerten Reformen unberührten Algerien wirbt er massiv für das Mammutprojekt Desertec, das einmal Solarstrom für die Region und die Europäer produzieren soll.
Sein Appell, wirtschaftliche Perspektiven und politische Öffnung seien zwei Seiten derselben Medaille, wird von seinem Kollegen Mourad Medelci mit der für die Deutschen überraschenden Ankündigung gekontert, bei den Parlamentswahlen im Mai auch Wahlbeobachter zuzulassen. «Unsere Beziehungen sind stark wirtschaftlich angehaucht, aber münden in ganz intensive politische Austauschprozesse», sagt Medelci auf der gemeinsamen Pressekonferenz.
Und demonstriert dann eher unfreiwillig, dass es mit den Reformen für mehr Meinungsfreiheit in Algerien noch nicht ganz so weit her ist: Als ein Journalist das sensible Thema des Ghadhafi-Clans anspricht, der in Algerien Unterschlupf gefunden hat, fasst die Übersetzerin die Antwort Medelcis knapp zusammen: «Die Frage wurde nicht angenommen.»
AFP/dapd/wid
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