Wettbewerbshüter ermittelnZwei Schweizer Duftstoffriesen drohen empfindliche Geldstrafen
Haben sich Givaudan, Firmenich und zwei weitere Hersteller abgesprochen? Die Wettbewerbskommission ermittelt im Rahmen einer weltweiten Aktion.

Joghurts und Bonbons, Duschgel, Deodorants und Parfüms: Sie alle enthalten Aromen und Düfte der beiden Schweizer Grossunternehmen Givaudan und Firmenich.
Nun sind sie zusammen mit dem US-Hersteller Flavors & Fragrances und dem deutschen Anbieter Symrise ins Visier der Eidgenössischen Wettbewerbskommission (Weko) geraten. Ihnen wirft die Behörde mehrere Verstösse gegen das Kartellrecht vor, wie die Weko am Mittwochmorgen bekannt gab.
Die Unternehmen sollen ihre Preisgestaltung untereinander abgesprochen und die Konkurrenz daran gehindert haben, bestimmte Kunden zu beliefern. Darüber hinaus sollen sie die Herstellung gewisser Duftstoffe beschränkt haben. Für die vier Firmen gelte die Unschuldsvermutung, so die Schweizer Wettbewerbshüter.
Weltweite Ermittlungen sind im Gang
Die Untersuchungen in der Schweiz sind Teil eines weltweiten Vorgehens von Wettbewerbsbehörden gegen die bedeutendsten vier Hersteller von Duftstoffen. Ermittlungen laufen auch in der Europäischen Union und in Grossbritannien. Beteiligt sind ebenfalls die US-Kartellwächter. Die beteiligten Behörden führten an verschiedenen Standorten Hausdurchsuchungen durch.
Dem Vernehmen nach ist ein solches koordiniertes Vorgehen von Kartellbehörden auf internationaler Ebene ungewöhnlich. «Wir sehen erstmals eine derart umfassende Untersuchung im Duftstoffsektor, und den Behörden scheinen glaubhafte Hinweise auf Fehlverhalten vorzuliegen», schreibt dazu Jean-Philippe Bertschy, Finanzanalyst bei der Zürcher Privatbank Vontobel. «Wenn sich diese Bedenken bewahrheiten, wäre es ein erheblicher Reputationsschaden für die Duftstoffbranche und auch Givaudan.»
Die Zürcher Kantonalbank sieht einen Rückschlag für die Industrie und damit auch für Givaudan. Aus heutiger Sicht sei allerdings schwer zu beurteilen, welches Resultat die Untersuchung bringe und welche möglichen finanziellen Konsequenzen, wie etwa Bussen, daraus entstünden, schreibt der zuständige Experte Daniel Bürki. Er geht davon aus, dass die Untersuchung länger dauern könnte, möglicherweise Jahre.
Die Busse kann bis zu 10 Prozent des Umsatzes betragen, der in den vergangenen drei Jahren in der Schweiz erwirtschaftet wurde.
Ob externe Hinweise oder eine Selbstanzeige die Untersuchungen ins Rollen brachten, wollte die Weko nicht beantworten und verwies auf die frühe Phase der Ermittlungen. Sollte es aber zu Preisabsprachen gekommen sein, so müssen die betroffenen Unternehmen mit empfindlichen Geldstrafen rechnen.
Die Busse kann bis zu 10 Prozent des Umsatzes betragen, der in den vergangenen drei Jahren in der Schweiz erwirtschaftet wurde. Die konkrete Höhe der Busse hängt von verschiedenen Faktoren ab, unter anderem der Art und Schwere sowie der Dauer des Verstosses.
Firmenich und Givaudan gehören zu den grössten Herstellern von Duftstoffen in der Welt mit Milliardenumsätzen. Sie müssen deshalb mit Bussen im dreistelligen Millionenbereich rechnen. Firmenich ist das unbekanntere der beiden Unternehmen, gelangte im vergangenen Mai aber dank eines überraschenden Zusammenschlusses mit der niederländischen DSM zu neuer Grösse und Bekanntheit.
Das fusionierte Unternehmen umfasst 28’000 Angestellte und hat zwei Sitze: im niederländischen Maastricht und in Kaiseraugst im Kanton Aargau. Ebenfalls in Kaiseraugst ist der Hauptsitz der neuen Holdinggesellschaft angesiedelt. Die neue Firma peilt einen jährlichen Umsatz von umgerechnet 11,4 Milliarden Franken an.
Givaudan hat den Hauptsitz in Vernier bei Genf. Das börsenkotierte Unternehmen bestätigt, «Teil einer branchenweiten Untersuchung durch europäische und Schweizer Behörden» zu sein. Das Unternehmen kooperiere uneingeschränkt mit den Behörden. Diese Ankündigung vermochte die Anleger jedoch nicht zu beruhigen. Am Mittwochmorgen brach der Aktienkurs von Givaudan um bis zu 3,4 Prozent ein.
Bill Gates ist Givaudan-Aktionär
Im abgelaufenen Geschäftsjahr erwirtschaftete Givaudan einen Umsatz von 7,1 Milliarden Franken. Der Konzern beschäftigt weltweit knapp 16’700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Microsoft-Gründer Bill Gates und dessen Ex-Frau Melinda Gates gehören mit einem Anteil von knapp 14 Prozent zu den grössten Aktionären von Givaudan.
Das Unternehmen hat es immer wieder mit einheimischen und ausländischen Behörden zu tun. Zuletzt verboten die Schweiz und die EU den Duftstoff Lilial. Er ahmt den Geruch von Maiglöckchen nach und wirkt sich nachweislich negativ auf die Fortpflanzung aus. Als einer der wichtigen Hersteller von Lilial muss Givaudan nun einen Ersatzstoff entwickeln.
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