Wie Appenzell eine Krise mit Liechtenstein auslöste
Die Innerrhoder Polizei liess in Vaduz eine illegale Razzia durchführen, um einen Finanzskandal aufzudecken. Der Fall ist nun vor Gericht – doch nicht wegen der übereifrigen Kantonspolizei.

Am Innerrhoder Kantonsgericht hat der Prozess im verworrenen Appenzeller Mammut-Betrugsfall begonnen. Der Fall hatte wegen einer illegalen Razzia der Innerrhoder Polizei in Vaduz in Liechtenstein für zwischenstaatliche Irritationen gesorgt. Die damalige Untersuchungsrichterin und spätere Innerrhoder Staatsanwältin hatte im März 2000 ohne Wissen und Zustimmung der liechtensteinischen Behörden durch Kantonspolizisten Akten in Vaduz abholen lassen.
Ein ausserordentlicher Untersuchungsrichter gelangte zum Schluss, diese Angelegenheit unterstehe der Bundesgerichtsbarkeit und sei vermutlich verjährt. Die Bundesanwaltschaft bestätigte dies und schloss das Verfahren gegen die inzwischen entlassene Ex-Staatsanwältin ab. Vertreter der Innerrhoder Regierung entschuldigten sich offiziell bei der Liechtensteiner Regierung. Die fürstliche Regierung akzeptierte die Entschuldigung.
Geschäftsleute fielen auf Finanzbetrüger hinein
1999 versuchten fünf Geschäftsleute, einer von ihnen aus Appenzell, ins Trading-Geschäft einzusteigen und märchenhafte 175-Prozent-Gewinne zu erzielen. In London gerieten sie an einen Finanzbetrüger. Es seien «Luftgeschäfte» gewesen, verteidigten sich die drei Angeklagten vor der ersten Instanz, dem Bezirksgericht.
Um ins Geschäft zu kommen, fabrizierten sie fiktive Bankbelege. Damit gaukelten sie nicht vorhandenes Vermögen von 17 Millionen Franken bei der UBS Zug vor. Zu Schaden kam niemand.
Fall von Kinderpornografie
Einer der Angeschuldigten hatte zudem Kinderpornografie aus dem Internet heruntergeladen. Er habe «Young Girls» gesucht, beteuerte der Mann. Das Bezirksgericht befand, der Mann habe sich Zugang zu kostenpflichtigen Internetseiten verschafft, die bis zu 100 Prozent Kinderpornografie enthielten.
Der Mann, der die Fälschungen fabriziert hatte, wurde zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 24 Monaten verurteilt. Ein Wiler Treuhänder wurde zu 24 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Davon sollte er sechs Monate absitzen, 18 Monate wurden bedingt ausgesprochen.
Der Appenzeller Geschäftsmann wurde wegen mehrfacher Urkundenfälschung, versuchten und vollendeten Betrugs sowie wiederholter Pornografie zu 35 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Davon waren neun Monate unbedingt.
93'000 Franken zulasten des Staats
Damit ging das Bezirksgericht weit über die Strafanträge der Anklage hinaus. Diese hatte einzig für den vorbestraften Wiler Treuhänder 16 Monate unbedingt gefordert. Die Verteidigung hatte in allen Fällen auf Freispruch plädiert. Kritisiert wurden grobe Verfahrensfehler und die lange Verfahrensdauer.
Die Verfahrenskosten von 171'735 Franken wurden auf 92'396 Franken reduziert. 93'000 Franken sollten zulasten des Staats gehen, der auch einen Teil der Anwaltskosten übernehmen sollte.
Die Akten umfassen 45'000 Seiten in 90 Bundesordnern in 14 Kisten. Die Untersuchungen dauerten zehn Jahre. Das Bezirksgericht kritisierte dies als «eindeutig zu lang». Damit habe die Anklage gegen das Beschleunigungsgebot verstossen.
Abwesendes «Hirn»
Alle Angeschuldigten forderten vor erster Instanz, der Drahtzieher müsse ebenfalls zur Verantwortung gezogen werden. Das Strafverfahren gegen das eigentliche «Hirn» wurde an die Münchner Staatsanwaltschaft abgetreten.
Weil der 65-jährige Deutsche wegen schwerer Delikte in Deutschland verurteilt worden war, stellten die deutschen Behörden das Verfahren gegen ihn ein. Die Innerrhoder Staatsanwaltschaft prüfe jetzt, das Verfahren gegen den mutmasslichen Haupttäter neu aufzurollen, sagt Staatsanwalt Herbert Brogli.
SDA/miw
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