Wie der Obamacare-Flop den Demokraten zusetzt
Der Irakkrieg war für die Republikaner ein «Desaster», ein solches sei auch der Fehlstart der Gesundheitsreform für die Demokraten. So lautet eine Analyse in Washington. Was ist daran?
Zuversichtlich blickte die Obama-Truppe noch im Oktober in die Zukunft: Die Republikaner hatten sich beim Shutdown der US-Regierung keineswegs den Amerikanern empfohlen. Der Präsident hingegen war nach wie vor beliebt und genoss Umfragen zufolge das Vertrauen der Wähler.
Das war einmal: Die beträchtlichen Anlaufschwierigkeiten von Obamacare, so der inzwischen allgemein gebräuchliche Name für Barack Obamas Reform des amerikanischen Gesundheitswesens, verunsichern die Demokratische Partei und haben Beliebtheit wie Glaubwürdigkeit des Präsidenten enorm zugesetzt.
«Wir haben den Start mit dem Gesundheitsgesetz nicht richtig hingekriegt», übte der frustrierte Obama vergangenen Donnerstag Selbstkritik. Obwohl er versprochen hatte, bislang Versicherte könnten ihre Krankenversicherung beibehalten, wurde im Zuge der Implementierung der Reform nahezu fünf Millionen Amerikanern der Versicherungsschutz gekündigt. Zig Millionen Bürger versuchten überdies ergebnislos, sich im Internet auf den neu eingerichteten elektronischen Marktplätzen nach einem Versicherungsschutz umzusehen.
«Ein Desaster wie der Irakkrieg»
Der republikanischen Opposition kann es nur recht sein: Sie segelt plötzlich im Aufwind und versucht, das verhasste Reformgesetz nun doch noch auszuhebeln. Dem Weissen Haus wiederum ist bewusst, dass nur Monate verbleiben, um die Schwächen des Reformwerks zu beheben und Obamas politisches Vermächtnis zu retten. Obamacare sei für die Demokraten ein «Desaster, wie es der Krieg im Irak für die Republikaner war», lautete denn auch die schadenfrohe Diagnose des republikanischen Abgeordneten Tom Cole.
Der Vergleich mag übertrieben, der Schaden aber könnte trotzdem immens sein: Schliesslich standen und stehen die US-Demokraten für eine politische Philosophie, die den Wert des Staats für das Gemeinwohl anpreist. Hatte der Republikaner Ronald Reagan die Devise ausgegeben, der Staat sei stets das Problem und niemals die Lösung, so widersprachen ihm die Demokraten und verwiesen auf den Erfolg von Franklin Roosevelts staatlicher Rentenversicherung (Social Security) oder Lyndon Johnsons staatlicher Gesundheitsversorgung für Senioren (Medicare). In einer weitgehend deregulierten Marktwirtschaft oblag es dem Staat, für einen sozialen Ausgleich zu sorgen, glaubten die Demokraten.
Misstrauen der weissen Mittelklasse
Nicht nur sind die Probleme von Obamacare deshalb Wasser auf die republikanischen Mühlen. Sie bestärken überdies das Misstrauen der weissen Mittelklasse gegenüber einem Staat, der zusehends als inkompetenter Umverteiler zu ihren Lasten und zugunsten von Minderheiten und Armen empfunden wird. Dabei sollte Obamacare besonders diese Mittelklasse vom Wert staatlicher Intervention überzeugen: Den privaten Krankenversicherungen ist nicht mehr erlaubt, bereits Erkrankten den Versicherungsschutz zu verwehren, auch entfällt künftig die Begrenzung von Versicherungssummen.
Hatten Roosevelt und Johnson bei ihren Reformen jedoch voll auf den Staat gesetzt, so entwarf Obama seine Reform im Sinne der privaten Versicherungsindustrie und schuf damit eine komplizierte Mischung von Marktkräften und staatlichen Interventionen. «Eine umfassende Krankenversicherung ist eine Idee, deren Zeit gekommen ist», hatte der Republikaner Richard Nixon bereits 1974 postuliert. Eingeschüchtert vom Zeitgeist versuchten sich Nixons demokratische Nachfolger hingegen an halbherzigen Lösungen: Als First Lady konzipierte Hillary Clinton 1993 eine überaus komplizierte Reform des Gesundheitswesens, die krachend implodierte.
«Meine Wähler sind ziemlich verärgert»
Obamacare ist nicht weniger kompliziert: Statt die bereits existierenden staatlichen Strukturen bei der Gesundheitsversorgung von Alten und Armen über Zeit auf die Masse der unversicherten Amerikaner auszuweiten, band die Obama-Administration die private Versicherungsindustrie ein und schuf eine hybride Reform, die jetzt schlimmstenfalls scheitern könnte.
In der Demokratischen Partei breitet sich entsprechend Panik aus. Zumal die republikanische Opposition nichts unversucht lassen wird, um die Implementierung von Obamacare zu erschweren und grösstmögliches Chaos zu verursachen. «Meine Wähler sind ziemlich verärgert, und ich bin es auch», sagt etwa der demokratische Abgeordnete Ron Barber, dem eine schwierige Wiederwahl in seinem Kongressbezirk im Staat Arizona bevorsteht.
Vergangene Woche setzten sich 39 demokratische Abgeordnete im Washingtoner Repräsentantenhaus von ihrer Partei ab und stimmten für eine republikanische Vorlage. Sie würde die Versicherungen auffordern, die Kündigungen bestehender Krankenversicherungen zurückzunehmen, und Obamacare damit aushöhlen. Doch selbst wenn die Reform gerettet wird, könnte die republikanische Kritik am Unvermögen des Staats bei vielen Wählern verfangen und die Demokraten in die politische Defensive treiben.
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