Wie ein toter Iltis
Im neusten Dresden-«Tatort» jagen die Kommissarinnen einen Kinderschänder. Das ist mal unerträglich klischiert, mal sehr bedrückend.
Schweissflecken wohin man blickt, die Sommerhitze macht den Dresdnern zu schaffen. Die Polizistin stinkt «wie ein toter Iltis» und ihr Chef reisst gereizt an den Jalousien. Elende Sonne! Erleichterung bringt nicht einmal der Regen, der eines Abends auf die Stadt niederprasselt. Das verdammte Wasser spült nämlich Reifenspuren weg – der einzige Hinweis im aktuellen Mordfall der «Tatort»-Kommissarinnen Henni Sieland und Karin Gorniak.
Passanten haben am Elbufer einen toten Jungen in einer Sporttasche gefunden. Rico Krüger ist neun Jahre alt und war am Vorabend nicht vom Schwimmtraining nach Hause gekommen. Badesalz in der Lunge, Schlafmittel im Urin, Sperma im Mund – Rico fand seinen Tod nicht in der Elbe, sondern in einer Badewanne. Zuvor war er betäubt und sexuell missbraucht worden.
Für das Dresdner Team wird der Fall zur Belastungsprobe. Die Medien verbreiten wilde Theorien zur Täterschaft und Kommissariatsleiter Schnabel reagiert dünnhäutig auf den Fall: «‹Okay› reicht hier nicht, Frau Gorniak, ich will, dass sie rund um die Uhr arbeiten.» Bald ist klar, was Schnabel konstant toben lässt. Schon drei Jahre zuvor war an der Elbe ein Junge verschwunden, der Kommissariatsleiter konnte aber nie aufklären, was damals geschehen war.
Der Täter lockt mit dem ferngesteuerten Auto
Den Machern von «Déjà-vu» ist ein solider «Tatort» gelungen, auch wenn so manches im Plot vorhersehbar ist. Verdächtiger Schwimmtrainer mit angeblich pädophiler Vergangenheit – check. Wütender Mob vermöbelt besagten Trainer – check. Kommissarin befürchtet plötzlich, der Nachbar mache sich an ihren Teenagersohn heran – check. Ja, ab und an kommt einem da der Verdacht, die Autoren hätten mit der 17-Franken-Krimi-Anleitung aus dem Onlineversandhandel gearbeitet.
Umso stärker ist dafür der Täter inszeniert. Réne Zernitz arbeitet für die Stadtwerke, ein sympathischer und gut aussehender Mittzwanziger. Doch mit seiner Freundin hat Zernitz nur Sex, wenn sie ihm eine Geschichte von zwei nackten, badenden Jungen erzählt. Auf Montage in der Tagesschule zeigt er am blonden Buben mehr Interesse als an der flirtenden Betreuerin.
Die Hinweise auf seine Pädophilie und Täterschaft sind geschickt durch den «Tatort» gestreut. Sie verdichten sich, bis wir schliesslich zusehen, wie Zernitz mit einem ferngesteuerten Auto sein nächstes Opfer anlockt. Hier reisst diese Folge richtig mit, wird bedrückend: Wie seine Partnerin will auch der Zuschauer lange nicht wahrhaben, dass dieser gewinnende junge Mann ein Kinderschänder ist.
Sogar Kommissariatsleiter Schnabels Gereiztheit wird am Schluss von «Déjà-vu» einer Schwere gewichen sein. Er muss nämlich einem Elternpaar mitteilen, dass ihr vor drei Jahren verschwundener Sohn eines von Zernitz' Opfer ist. Ein kühlender Sommerregen geht in diesem Moment über Dresden nieder. Erleichterung bringt er keine.
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