Wie eine Pensionskasse Geld verbrannt hat
Bei der Sammelstiftung Phoenix gibt es Hinweise auf undurchsichtige Geschäfte. Der Fall zeigt, welche Risiken bei solchen Einrichtungen drohen.

Serge Aerne wird von ihm nahestehenden Personen als «umtriebigen Geschäftsmann» beschrieben. In der Tat hat er schon viele Firmen gegründet – die meisten davon in der Immobilienbranche. Aerne hat mit der Sammelstiftung Phoenix aber auch eine Vorsorgeeinrichtung unter anderem für kleine und mittlere Betriebe initiiert, die seit 2013 operativ tätig ist. Offenbar hat er seine Rollen als Geschäftsmann und bei der Phoenix in fragwürdiger Weise vermischt. Denn die Aufsicht beanstandet eine Vielzahl von Mängeln. Laut internen Dokumenten wurden Interessen unzureichend offengelegt, Geschäfte der Stiftung mit Unternehmen, die mit Aerne verbunden sind, sollen Verluste verursacht haben. Zudem weist der Vorsorgepool «Solid» einen alarmierend tiefen Deckungsgrad von 76,4 Prozent aus.
Die kantonale Aufsicht reagierte und setzte mit dem Stiftungsrat das oberste Organ ab. Nun tobt ein Kampf um die Kontrolle der Phoenix. Gemäss einem Gerichtsbeschluss kann der Stiftungsrat in diesen Tagen die Leitung wieder übernehmen. Dagegen wehrt sich die eidgenössische Oberaufsicht Berufliche Vorsorge mit einer Beschwerde, die sie kürzlich beim Bundesgericht eingereicht hat. Die Aufsichtsstellen äussern sich nicht zum laufenden Verfahren.
Risiken von Sammeleinrichtungen
«Der Fall der Pensionskasse Phoenix zeigt exemplarisch, zu welchen Missständen es bei Sammeleinrichtungen kommen kann», sagt Urban Hodel, Geschäftsleiter des PK-Netzes, das Arbeitnehmende in der zweiten Säule vertritt. Die Aufsicht habe zu wenig Möglichkeiten einzugreifen. «Das macht es schwierig, Interessenkonflikte zu unterbinden, mit erheblichen Risiken für die Versicherten.» Klartext spricht der erfahrene Pensionskassenexperte und Rechtsanwalt Martin Hubatka, der den Fall kennt: «Die Sammelstiftung Phoenix muss so rasch wie möglich liquidiert werden», sagt er.
Was war geschehen? Zu Beginn war Aerne selbst Geschäftsleiter der Phoenix. Bis heute nimmt er als Berater an Sitzungen des Stiftungsrats teil. Sein Beratungsmandat erstreckt sich auf Kundenpflege und den Ausbau der Sammelstiftung. In den ersten Jahren hat die Phoenix fast nur Dienstleistungen aus Aernes Firmennetzwerk in Anspruch genommen. Dazu zählten die SJA Management AG, die Admicasa Verwaltung AG, dieAssurinvest AG und die Prof-ex GmbH, an denen Aerne beteiligt war oder Einsitz hatte.
Intransparente Geschäfte
Der Interessenkonflikt ist offensichtlich: Aerne vertritt einerseits die Interessen der Versicherten. Andererseits möchte er mit seinen Unternehmen verdienen. Solche Geschäfte mit Nahestehenden sind für Vorsorgeeinrichtungen nicht verboten. Bedingung ist jedoch: Sie müssen zu marktüblichen Konditionen abgeschlossen und transparent sein.
Doch daran gibt es im Fall Phoenix Zweifel: Das zeigen Dokumente, die dieser Zeitung vorliegen, wie der vertrauliche «Management Letter» der Revisionsstelle PWC und der interne 100-seitige Bericht von Schärer Rechtsanwälte, der aufgrund der Intervention der Aufsicht erstellt worden ist. Die Dokumente listen etliche Beispiele auf für die Verletzung der Offenlegungspflichten, Verdacht auf Strafbarkeit nach Bundesgesetz über die berufliche Vorsorge (BVG), Verantwortlichkeiten, die vertieft zu prüfen seien, und anderes mehr. Ein umstrittenes Geschäft war zum Beispiel der Kauf von zwei neuen Liegenschaften in Lütisburg SG. In der Jahresrechnung 2015 hat die Phoenix diese Immobilien mit über 16 Millionen Franken bewertet. Schon ein Jahr später wurde eine Wertminderung von 2 Millionen Franken verbucht. Hat die Phoenix zu viel bezahlt? Die Totalunternehmerin Prof-ex, die Serge Aerne gemeinsam mit einer ihm nahestehenden Person gegründet hatte, war in diesem Geschäft massgeblich involviert. In den Sitzungsprotokollen finden sich gemäss Berichten keine Hinweise, dass der Stiftungsrat geprüft hat, ob der Kauf zu marktüblichen Konditionen abgeschlossen worden ist. Es habe keine Konkurrenzofferten gegeben.
Gemäss ordentlichen Protokollen habe der Stiftungsrat nicht einmal dazu Stellungbezogen. Erst im Nachhinein sei ein «Nachtragsprotokoll» über «mündlich beschlossene» Liegenschaftskäufe erstellt worden. Bei den Preisen stützten sich die Verantwortlichen auf Liegenschaftsbewertungen. Merkwürdig ist, dass die Parteien in einem öffentlich beurkundeten Grundstückskaufvertrag ausdrücklich erklärt haben sollen, zwischen der Prof-ex und der Phoenix bestehe kein Vertrag zur Erstellung eines schlüsselfertigen Baus. Dabei hatten die beiden Parteien offenbar nur knapp zwei Monate vorher einen Totalunternehmer-Werkvertrag für genau ein solches Projekt abgeschlossen. Gemäss Untersuchungsbericht unterzeichnete Serge Aerne diesen Vertrag für die Phoenix. Neben Verletzung der Offenlegungspflichten besteht laut Prüfbericht in diesem Fall auch ein «konkreter Verdacht einer Strafbarkeit» wegen Erschleichung einer falschen Urkunde.
Merkwürdiges Darlehen
In einem anderen Fall geht es um ein Hypothekardarlehen über 1,25 Millionen Franken, das die Phoenix im Mai 2014 drei Personen gegeben hat. Gemäss Unterschriften gehört Serge Aerne zu den Mitunterzeichnern. Gemäss Schuldner D. verlangte Aerne als Gegenleistung für das Darlehen, dass D. seinerseits zwei Darlehen über je 200 000 Franken weitergibt. Eines ging an eine Firma in Herisau und ein anderes an eine Privatperson – angeblich ein Geschäftspartner von Aerne. Der Privatperson musste D. demnach auch noch eine Provision in bar über 50 000 Franken aushändigen.
Laut Bericht von Schärer Rechtsanwälte könne das alles belegt werden. Wie D. weiter ausführt, verweigerten seine Darlehensnehmer eine Rückzahlung, was ihn selbst in Bedrängnis gebracht habe. Da das Darlehen der Phoenix nur im dritten Rang durch Grundpfandrechte gesichert war, musste die Sammelstiftung 2016 offenbar darauf eine Million Franken abschreiben. Schärer Rechtsanwälte kommen in ihrem Bericht zum Schluss, dass die Verantwortlichen der Phoenix in diesem Fall «in grober Weise gegen die Interessen der Vorsorgeeinrichtung gehandelt haben».
«Die Phoenix muss so rasch wie möglich liquidiert werden.»
Schärer Anwälte stellten auch Doppelspurigkeiten fest: Demnach schloss die Phoenix 2015 mit der Admicasa Verwaltung AG einen Vertrag für Dienstleistungen ab, obwohl ein fast gleichlautender Vertrag mit der Assurinvest AG noch in Kraft war. Bei Assurinvest sei Aerne zu diesem Zeitpunkt Mitinhaber gewesen, bei der Admicasa Verwaltung AG ist er bis heute Verwaltungsratspräsident. Der Untersuchungsbericht hält zum Vertrag mit der Admicasa fest: «Es besteht die Vermutung, dass dieser Vertrag vonseiten der Admicasa Verwaltung AG gar nicht gelebt wird und die Pensionskasse effektiv gar keine Leistungen gestützt auf diesen Vertrag bezieht.» Ungewöhnlich ist auch, dass gemäss Untersuchungsbericht die Phoenix bei vorzeitiger Vertragsauf-lösung eine Strafzahlung von 500'000 Franken leisten müsse. Heute ist nur noch die Admicasa für die Phoenix tätig.
Serge Aerne will nicht Stellung beziehen und verweist auf den Stiftungsratspräsidenten. Dieser sagt, er dürfe die vorgelegten Fragen aufgrund des laufenden Verfahrens nicht beantworten.
«Desolate Lage»
«Die Lage ist desolat – es ist aus heutiger Sicht unwahrscheinlich, dass diese Sammelstiftung überhaupt noch saniert werden kann», sagt Hubatka, der die Interessen eines bei der Phoenix angeschlossenen Vorsorgewerks vertritt. Ende 2018 seien zahlreiche Vorsorgewerke abgesprungen, was die ohnehin schwierige Situation zusätzlich verschärfe. Er hat kein Verständnis dafür, dass der Stiftungsrat gegen seine Absetzung juristisch vorgeht. Dagegen fordert der Experte, dass geprüft werden müsse, wer für die Lage haftbar gemacht werden könne. «Der Stiftungsrat klammert sich an sein Amt und hofft, der Verantwortung entgehen zu können, was ich für unwahrscheinlich halte.»
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