Wie geht eigentlich Originalität?
Diese Frage stellten wir Roman Maeder alias Larry Bang Bang, der in seinem Wesen einen hartgesottenen Comic-Romantiker und eine sensible Rock'n'Roll-Rampensau vereint.

Manchmal beginnt eine Story nicht mit einem Paukenschlag, sondern mit einer leisen Enttäuschung. Tja, blöderweise ist das hier genau so eine Story.
Es ist nämlich so, dass der Erzähler der Story (also ich) ein Treffen mit Roman Maeder vereinbarte. Im Café Zum Guten Glück in Wiedikon. In der Hoffnung, dieser Mann würde eine jener Fragen beantworten können, die ihm schon lange unter den Nägeln brennen. Sie lautet: «Wie geht eigentlich Originalität? Also die wahre Ware, bei der kein Auge trocken bleibt, der man weder entkommen kann noch entkommen will?»
Es sei vorweggenommen: Roman Maeder hat die Frage beantwortet. Doch das ist nicht der Punkt. Nein, diese leise Enttäuschung rührt daher, dass die fixe Idee, ein origineller Geist müsse zwingend auch ein originelles (sprich schrilles) Outfit tragen, ein originelles (sprich trendiges) Getränk bestellen und dann schon zu Beginn mit einem originellen (sprich coolen oder markigen) Spruch das Gesprächsterrain markieren – etwa so, wie der Hund sein Revier markiert –, nicht eingelöst wird. Konkret: Maeder fällt durch seine Kleidung weder auf noch ab, als er den Raum betritt, dann sagt er im freundlichsten Schaffhauser Dialekt «Du bisch scho dä Tagi-Journi, odär? Sali, ich bi dä Roman», und schliesslich bestellt er weder ein Club Mate noch einen Gin Tonic (und nicht mal ein Corona!), sondern ein Orangina. Tja. Doch ab da wards dann besser – was sich, der Logik gehorchend, wiederum auf die Qualität dieser Story auswirkt.
Inspiration Plattensammlung
Um gleich mal zu testen, ob Herr Maeder – wie aufgrund seines bisherigen Œuvres als Comiczeichner und Indie-Musiker vermutet – tatsächlich als Originalitätsflüsterer durchgehen könnte, muss er zum Start ein paar «Fanzine-Fragen» beantworten. Lieblingsroman? «Hmm. Ich nehme T. C. Boyle, ‹America›.» Lieblingsfilm: «Uff, da sind so viele. Vielleicht ‹Black Cat, White Cat› von Kusturica.» Lieblingsgetränk: «Moscow Mule, und zwar das Original.» Lieblingsland? «Echt jetzt? Also gut, Kolumbien.» Lieblingsclub: «Ich habs nicht so mit Sport.» Nein, Club wie Disco, Bar, Kulturraum oder so. «Aha. Dann nehme ich die ‹Survive!Garage› in Jogjakarta, Indonesien.»
Ohne jetzt eine genaue Punktzahl zu nennen, ist klar: Hürde souverän übersprungen. Weshalb wir entspannt zu Teil zwei übergehen können, dem künstlerischen Werdegang. Der, wie der 42-Jährige lachend gesteht, irgendwie gar nicht existiere, zumindest nicht im klassisch-kunstdogmatischen Sinne. «Ich bin ein Autodidakt durch und durch», so Maeder, abgesehen vom einjährigen Vorkurs an der Schule für Gestaltung in Biel habe er sich alles selbst beigebracht. «Eine sehr wichtige Quelle war dabei die Plattensammlung meiner Eltern, akustisch wie visuell. Ich konnte mich früher stundenlang damit beschäftigen, einfach dazuhocken, diese Alben zu hören und dabei die Covers in all ihren oft wundersamen Details zu studieren.»
Zur Kollektion gehörten Scheiben von Pink Floyd und Cat Stevens, Juliane «Am Tag, als Conny Kramer starb» Werding und Jim Croce, Mikis Theodorakis und New-Orleans-Jazz-Ensembles, kurz und gut: Klein-Roman hörte und schaute sich da ein ganz schönes Chrüsimüsi an. Das er im Lauf der Jugend- und Teenagerjahre um Hitparaden (auf dem süddeutschen Kanal SWF 3; diesbezüglich war man in Schaffhausen privilegiert) und einige Lora-Sendungen sowie um nordamerikanische Underground-Comics von Robert Crumb bis Julie Doucet erweiterte. Er habe in dieser Phase fast übermässig viel in sich aufgesogen, sagt der schalkhafte Kulturtäter, «irgendwie normal, dass das später in der einen oder anderen Form wieder rausmusste».
Larry Bang Bang - «Konnichiwa».
Und als «das» dann langsam rauskam, so ab Mitte der 90er-Jahre, wurde Maeder verhaltensauffällig – notabene im besten Sinn des Wortes. Die eine Form war die Musik, die Stile hiessen Punk, Heavy Metal, Rock 'n' Roll und Surf, die Bands trugen Namen wie Los Tres Lulus oder Surf Angels. Die andere Form war der Comic: Mit Remo Keller, der ebenfalls in den erwähnten Bands mitrockte und -surfte, gründete Maeder das Label und Syndikat «Milk + Wodka». Man kreierte Flyer, Plakate und Strips, lancierte das «Milk + Wodka Continental Comic Book» mit internationalen Gastbeiträgen, trat am Comix-Festival Fumetto auf, tourte durch einheimische und später durch europäische Clubs.
Nach diesen Stürmer- und Drängerjahren siedelte er nach Zürich über, akzentuierte seine «Lieber unkonventionell glücklich als kommerziell erfolgreich»-Haltung und erschuf 2003 die Kunstfigur Larry Bang Bang – einen melodramatischen Zeitgeistcowboy, der eigene Geschichten fabulierte, fremde Lieder intonierte und ab und zu per Bohrmaschine Fake-Tattoos kreierte.
«Schräger als dieser Turm von Pisa», «ein kleiner Helge», «ich weinte am selben Gig Freuden- und Tristesse-Tränen, der Typ ist der Wahn!»: Das sind nur einige lobende Augenzeugen-Statements. Und weil «der Typ» jetzt auch noch erstmals eigene Songs veröffentlicht, kam es jetzt eben zu diesem Treffen, dieser Story – und dieser Frage. Et voilà, hier sind sie, Roman Maeders «Seven Thinking Steps» der Originalität!
1 Entdecke den inneren Freak
«Das Aufstöbern und Akzeptieren des inneren Freaks, der irgendwo hockt, ist zentral. Ohne ihn läuft gar nichts.»
2 Gib dem inneren Freak Auslauf
«Schlüpfe ich ins Larry-Bang-Bang-Kostüm, nehme ich sofort eine Rolle an, in der ich mich auch selber überrasche: Ich lege die Schüchternheit und Zurückhaltung ab und mutiere zu einer Art sensibler Rock'n'Roll-Rampensau. Das war zu Beginn nicht immer einfach, geht inzwischen aber ganz gut. Kurz: Der innere Freak braucht regen Auslauf!»
3 Erlerne die Kunst des Scheiterns
«Geh unnötige Risiken ein, zeige Schwäche, erlerne die Kunst des Scheiterns. Das ist die Freiheit des Bühnenlebens.»
4 Import und Export
«Alles schon mal da gewesen? Mag sein. Und doch braucht es den Anspruch, aus dem, was man über die Jahre in den Kopf und die Seele importiert hat, einen bahnbrechend neuen Export zu kreieren.»
5 Der interne Bullshit-Detektor
«Man muss einen Bullshit-Detektor entwickeln, der hilft, die Spreu (also den pseudokreativen Müll) vom Weizen (also echten Visionen) zu trennen. Anders gesagt: Nicht jede Idee ist brauchbar.»
6 Die Scheiss-Verweigerung
«Es ist ratsam, sich treu zu bleiben, nicht jeden modischen Scheiss mitzumachen: Auch wenn der Weg einfacher und kommerziell verlockender scheint, führt er kaum je zur Originalität.»
7 Es geht auch anders
«Das hier ist natürlich kein wasserdichtes Erfolgsrezept, nicht mal ich bin damit nur gut gefahren. Aber das lag womöglich auch an unzureichendem Talent.»
Apropos Talent: «Bei wem schauen Sie ab, wenn Sie abschauen, Herr Maeder?» Er überlegt, dann sagt er: «Helge Schneider. Der kann alles, Musik, Mimik, Witz – nur darum ist er zu solch grossartigem Dilettantismus fähig.»
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