Der Kanton Zürich informiertTests in Pflegeheimen: 40 Prozent der Infizierten ohne Symptome
In Zürcher Alters- und Pflegeheimen starben 47 Menschen nach einer Corona-Infektion. Jetzt macht der Kanton eine neue Testempfehlung.
Das Wichtigste in Kürze
- In Zürich sind Alters- und Pflegeheime besonders stark von der Coronakrise betroffen.
- 47 von 87 der im Kanton nach einer Infektion Verstorbenen lebten in Heimen.
- In der Stadt Zürich starben 28 Bewohnerinnen und Bewohner.
- Tests zeigen: 40 Prozent der positiv Getesteten hatten keine Symptome.
- Der Kanton empfiehlt deshalb Tests aller Bewohnerinnen und Mitarbeitenden einer Abteilung, wenn eine Person mit Corona angesteckt wurde.
Frage: Wie ist die Lage im Stadtzürcher Pflegezentrum Gehrenholz, wo mehrere Bewohner und Angestellte mit Corona angesteckt wurden?
Gesundheitsvorsteher Andreas Hauri: Dort werden auch Covid-Patienten aus anderen Heimen behandelt, deshalb haben wir dort eine Herausforderung. Wir sind intensiv dabei, alle zu schützen. Wir haben inzwischen alle getestet und glauben, dass wir das Problem jetzt im Griff haben.
Mit der Beantwortung dieser Frage ist die Medienkonferenz beendet.
Jetzt werden Anfragen von Journalistinnen und Journalisten beantwortet.
Frage: Woher kamen die Ansteckungen?
Gabriela Bieri, Ärztliche Direktorin der Pflegezentren der Stadt Zürich: Ein Bewohner wurde nach einem Besuch zu Hause positiv getestet, einer nach einem Arztbesuch. Möglich ist auch, dass Personal das Virus ins Heim bringt – das passierte aber vor allem vor der Maskenpflicht. Die Übertragung erfolgte aber vor allem innerhalb der Heime, weil nicht erkannt wurde, wer alles positiv war. Das soll sich jetzt mit dem vermehrten Testen ändern.
Regierungsrätin Natalie Rickli sagt, dass die Kantonsapotheke ihren Dienst auf die Heime ausgeweitet hat und auch schon viel Material ausgeliefert hat, vor allem Masken. Zudem hat sie nun auch 60'000 Schutzkittel für die Heime freigeschaltet. «Wir sind der Meinung, dass es jetzt genug Schutzmaterial gibt.»
André Müller ist als Curaviva-Präsident nahe dran an den Sorgen und Nöten in den Heimen. Der Heimverband vertritt rund 300 Heime mit 16'000 Pflegeplätzen, darunter auch Behindertenheime.
Müller hat letzte Woche eine Umfrage in 190 Alters- und Pflegeheimen gemacht. Dort gibt es 175 positiv Getestete, 15 Menschen müssen mit Sauerstoff versorgt werden. Es stehen noch 273 freie Plätze auf Isolierstationen zur Verfügung.
147 Mitarbeitende aus der Pflege, Reinigung oder auch Küche wurden positiv getestet. Das ist schwierig für die Institutionen. Die Heime sind seit sechs Wochen stark gefordert.
Andé Müller begrüsst die Möglichkeit, Stationen mit Coronafällen durchzutesten.
Die Versorgung mit Schutzmaterial sei gut. Die Reserven sind aber unterschiedlich gross: Einige Heime haben Schutzmasken nur für sieben Tage vorrätig.
Das Besuchsverbot sei sehr schwierig für die Bewohnerinnen. Trotzdem soll es in Zukunft aufrechterhalten werden, sagt Müller. Weil die Bewohnerinnen Hochrisikopatientinnen sind und bleiben. Auch Natalie Rickli sagt, das Besuchsverbot sei weiterhin nötig.
Jörg Kündig, Präsident des Gemeindepräsidentenverbandes, sagt, dass besonders die Durchsetzung des Besuchsverbotes eine Aufgabe der Gemeinden war. «Das ist uns gut gelungen», sagt Kündig. Der Zivilschutz habe mitgeholfen.
Die diffuse Angst vor Corona sei auch in den Heimen spürbar. «Die Menschen, die dort arbeiten, sind stark belastet, aber nicht überbelastet», sagt Kündig. Schutzmaterial sei inzwischen genügend vorhanden, es sei zum Teil auf unkonventionelle Weise beschafft worden. Die Kantonsapotheke habe zwar am Anfang gebremst, aber heute funktioniere die Versorgung der Heime mit Schutzmaterial.
Die stellvertretende Kantonsärztin Christiane Meier erklärt die Folgen der Testresultate: Der Kanton empfiehlt eine Testung aller Bewohnerinnen und Mitarbeitenden einer Abteilung oder Station, wenn dort eine Person mit Corona angesteckt wurde.
Damit wolle man auch die Bewohnenden ohne Symptome identifizieren. In der Folge müsse man die positiv Getesteten isolieren und von den negativ Getesteten strikt trennen.
«Dank dieser Erkenntnisse können wir mit gezielter Testung die Ausbruchsbekämpfung optimieren und den Schutz der Bewohnenden und der Mitarbeitenden verbessern», sagt Christiane Meier.
Gabriela Bieri, Ärztliche Direktorin der Pflegezentren der Stadt Zürich, informiert über die Tests. Vor und zu Beginn der Ostertage habe man rund 500 Bewohnende von vier Pflegezentren der Stadt
Zürich auf Covid-19 getestet.
«Es passierte aus einer Art Verzweiflung heraus», sagt sie. «Wir hatten zwar alles Mögliche gemacht, um die Menschen zu schützen. Trotzdem hat sich das Virus weiter ausgebreitet. Wir haben uns mit dem Infektiologen de Triemli abgesprochen und Tests durchgeführt.»
Resultat: 80 von 190 Bewohnerinnen der betroffenen Abteilungen waren positiv. Und: 40 Prozent der positiv Getesteten hatten keine Symptome. «Das heisst: Wir hatten sehr viele Betroffene nicht erkannt und deshalb nicht isoliert», sagt Bieri.

Danach wurden weitere Tests durchgeführt in Abteilungen, wo es noch keine Fälle gab. Resultat: keine Angesteckten. Das heisst, wenn es auf einer Abteilung einen oder mehrere Fälle gibt, müsse man grosszügig testen.
Stadtrat Andreas Hauri ist froh, dass jetzt der Fokus auf die alten Menschen gelegt wird. In der Stadt gibt es 3500 Betten und 3300 Mitarbeitende in Alters- und Pflegezentren. Die Pflege ist schwierig, nicht zuletzt weil viele Menschen dement sind.
Es gab früh erste Verdachtsfälle und man habe hat früh Isolierstationen in einzelnen Heimen eingerichtet und dorthin auch Personen aus anderen Heimen gezügelt. Das war gut, sagt Hauri.
Dennoch gab es Verdachtsfälle ausserhalb dieser Zentren. In zwei Häusern wurden deshalb alle Personen über Ostern getestet – was eigentlich nicht erlaubt wäre. Wir haben es in Absprache mit der Gesundheitsdirektion gemacht und daraus eine neue Testpraxis entwickelt, erklärt Hauri.
Bisher sind in Stadtzürcher Pflegezentren 28 Menschen infolge Corona gestorben, aber es sind auch 28 Menschen wieder genesen.
Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli versichert den Bewohnerinnen und Bewohnern in den Heimen, «dass unsere Gedanken bei Ihnen sind». Und sie dankt dem Personal: "In den meisten Heimen wird eine Wahnsinnsarbeit geleistet, von Anfang an wurde mitgedacht und vorbereitet."
47 von 87 an Corona Verstorbenen im Kanton leben in Heimen.
In der Stadt Zürich gab es in einigen Heimen viele Fälle. Man hat festgestellt, dass viele Bewohnerinnen positiv waren, aber keine Symptome zeigen.
Um elf Uhr beginnt die Medienkonferenz zur Situation in den Alters- und Pflegeheimen im Kanton Zürich. Es informieren:
Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli (SVP), der Stadtzürcher Gesundheitsvorsteher
Andreas Hauri (GLP), der Präsident des Gemeindepräsidentenverbandes Jörg Kündig (FDP), die stellvertretende Kantonsärztin Christiane Meier, die Ärztliche Direktorin der Pflegezentren der Stadt Zürich
Gabriela Bieri-Brünig und der Präsident des Heimverbandes Curaviva André Müller.
Die Coronakrise ist für die Alters- und Pflegeheime in mehrerer Hinsicht eine grosse Herausforderung. Hier leben die Menschen, die ein hohes Risiko haben, am Virus schwer zu erkranken. Wie viele Menschen in Zürcher Heimen verstorben sind, ist nicht bekannt, die Gesundheitsdirektion hat entsprechende Fragen bisher nicht beantwortet. Im ganzen Kanton sind bis gestern 85 Personen infolge Corona gestorben.
Schwierig ist für die Heimbewohnerinnen auch, dass ihre Angehörigen und Freunde sie seit über einem Monat nicht mehr besuchen dürfen. Das Pflegepersonal, das ohnehin eher knapp ist, sollte sich deshalb jetzt noch mehr Zeit für die Bewohnerinnen und Bewohner nehmen. Aus einigen Heimen wurde zudem bekannt, dass nicht genügend Schutzmaterial zur Verfügung steht.
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