Wie man Hip-Hop kastriert
Chinas Rap war der Partei ein Dorn im Auge – zu viel Sex, zu vulgär. Jetzt ist er ideologisch gereinigt.
China Hip-Hop heisst jetzt Rap, auf dem chinesischen Streamingportal iQiyi. Immerhin: Er lebt, Chinas Rap. Dabei war er schon totgesagt worden. Nicht wegen zu wenig, eher wegen zu viel Erfolg. «China has Hip Hop», hiess die Talentshow auf iQiyi, die im letzten Jahr ein sensationeller Erfolg war. Fast drei Milliarden Mal gestreamt. Die Show katapultierte Hip-Hop in China vom Untergrund in die Öffentlichkeit. «Auf einmal war Hip-Hop überall», erzählte der 33-jährige Rapper Hu Ziwen einer Shanghaier Zeitung: «Im Restaurant spielten sie Hip-Hop. Im Schwimmbad spielten sie Hip-Hop.» Und Chinas Rapper, die bis dahin nur in Clubs und Bars aufgetreten waren, waren mit einem Mal Stars.
Aber der Hype hielt nicht lange. Die Partei wurde aufmerksam. Wovon sangen die da? Von Bitches und Sex? Die Zensoren schauten genauer hin, gruben alte Verse aus von PG One und GAI, den beiden Gewinnern von «China has Hip-Hop»: Drogen, Geld, Gangster, Gerechtigkeit, dazwischen nicht wenig Gefluche. Das Urteil der amtlichen Kulturwächter fiel schnell: «vulgär» und «obszön». Im Januar erliessen die Behörden neue Regeln: Von jetzt an waren Tattoos im Fernsehen verboten, auch allzu glitzernder Schmuck. Von einem Tag auf den anderen verschwanden die Rapper wieder aus den Shows, von den Bühnen. Und nicht wenige sagten Hip-Hop tot.
Neue Bühne, neuer Name
Jetzt aber: zweiter Anlauf. Diese Woche kehrt die Show auf iQiyi zurück, zweite Staffel. Gut durchgekämmt. Neue Bühne, neue Jury, neuer Name: «China has Hip-Hop» heisst jetzt «The Rap of China». Das Wort «Xi ha» – lautmalerische Übersetzung für «Hip-Hop» musste dem chinesischen Begriff «Shuo chang» weichen. Das kann Rap heissen, bezeichnet aber ursprünglich traditionellen Sprechgesang. Klingt vertrauter, patriotischer. «Erbaulich und voller positiver Energie» will die Sendung nun sein.
Jugendkultur ist in China noch immer Sache der Kommunistischen Partei. Hier hält die Zensur ihre schützende Hand über Teenager und junge Erwachsene, natürlich allein, «um ihr kulturelles Leben zu bereichern, um sie ihre Sommerferien in einem Internet mit klarem Himmel und sauberer Luft verbringen zu lassen». Chinas Rundfunkaufsichtsbehörde hat das gerade klargestellt.
Die Macher von iQiyi haben genau zugehört. Auch GAI. Gerade hat er sein neues Musikvideo vorgestellt, der Song heisst «Great Wall». Textprobe: «Heldenhaftes Blut / das für die Verteidigung unserer grossartigen Zivilisation vergossen wurde / Wir tragen den unermüdlichen Geist Chinas / unsere Präsenz erringt den Respekt derWelt.» Kommentar eines Kritikers: «Klingt, als habe das ein 65-jähriger Kader aus der Provinz geschrieben.» Chinas Rap hat überlebt, ja. Er wurde bloss kastriert.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch