Geldblog: Schrumpfende DepotsWie optimiere ich den Vermögensverzehr?
Wer von seinem Vermögen leben muss, sollte seinen Liquiditätsbedarf genau berechnen und liquide Mittel für mindestens sechs Monate auf die Seite legen.

Ich habe eine AHV von 2100 Franken, dazu eine kleine PK-Rente von 1700 Franken und auf der Bank rund 200'000 Franken sowie etwas auf einem Konto. Ich lasse mein Vermögen durch die Bank bewirtschaften und habe ein Minus von über 16 Prozent mit Aufteilung Aktien 32,4 Prozent, Immobilien 5,1 Prozent, Zinswerte 60,7 Prozent und Liquidität 1,3 Prozent. Da ich meinen Lebensunterhalt zu finanzieren habe und meine 3800 Franken Rente nicht ausreichen, bin ich auf das Vermögen angewiesen. Wenn ich Bargeld vom Vermögen auf mein Bargeldkonto transferiere, verliere ich mit der Inflation. Dennoch sollte ich womöglich eine Summe transferieren, bevor sich das Vermögen weiter drastisch abbaut. Was würden Sie mir empfehlen? Leserfrage von W.G.
Zunächst sollten Sie für sich ausrechnen, welchen konkreten Bedarf Sie in den nächsten Monaten haben, um sich Ihren Lebensstandard zusätzlich zu den Renten aus der AHV und der Pensionskasse in Form des Vermögensverzehrs zu finanzieren. Etwas liquide Mittel haben Sie noch auf einem Bankkonto, wie ich ihrer Frage entnehme. Wenn Sie Ihren genauen Bedarf kennen, sehen Sie rasch, wie lange diese liquiden Mittel reichen.
Mir ist klar, dass diese liquiden Mittel kaum lange reichen. Der Hauptteil Ihres Vermögens ist im Rahmen der Vermögensverwaltung der Bank in Wertschriften gebunden. Doch hier sitzen Sie auf beträchtlichen Buchverlusten. Natürlich könnten Sie die Vermögensverwaltung kündigen und alle Wertschriften gleich verkaufen. So hätten Sie dann viel liquide Mittel zur Verfügung. Wenn Sie dies machen, werden aber aus Ihren momentanen Buchverlusten reale Verluste, die Sie nicht mehr zurückholen können. Aus meiner Sicht wäre das schade.
Man sollte einen Unterschied zwischen den Kursverlusten von Aktien und Obligationen machen.
Nun wissen wir alle nicht, wie es in den nächsten Monaten an den Finanzmärkten weitergeht. Persönlich gehe ich nicht von einer raschen Beruhigung und auch nicht von einer schnellen Erholung aus. Die internationalen Notenbanken sind aufgrund der historisch hohen Inflation gezwungen, die Zinsen weiter zu erhöhen. Dies ist denn auch der Grund, dass selbst Obligationen von sicheren Schuldnern, von denen Sie direkt oder indirekt über Anlagefonds viele in Ihrem Depot haben, gelitten haben und deren Kurse ebenso wie die Kurse von Aktien gesunken sind.
Nun sollte man aus meiner Sicht aber einen Unterschied zwischen den Kursverlusten von Aktien und Obligationen machen. Bei Obligationen von erstklassigen Schuldnern können Sie davon ausgehen, dass sich deren Kurse bis zum Ende der Laufzeit wieder erholen. Die Kurse der Anleihen sind gesunken, weil man auf neuen Anleihen mehr Zins bekommt. Doch das Kapital wird am Ende der Laufzeit der Obligation zu hundert Prozent zurückbezahlt – vorausgesetzt, der Schuldner ist solid, was bei Anleihen von erstklassigen Schuldnern der Fall ist. Sie können somit schauen, wann die Anleihen, die Sie in Ihrem Depot haben, zurückbezahlt werden, und der Bank den Auftrag geben, dass sie dieses Kapital dann nicht mehr neu investiert, damit sie wieder genügend liquide Mitte haben.
Auch bei qualitativ guten Aktien besteht eine gute Wahrscheinlichkeit, dass sich deren Kurse mit der Zeit wieder etwas erholen. Doch hier kann es länger dauern und je nach Art der Aktien erreichen Sie vielleicht nicht mehr zwingend den Einstandspreis oder zumindest sehr lange nicht mehr. Nur einfach blind jetzt alle Wertschriften verkaufen, würde ich nicht, da Sie dann einfach Ihre Verluste realisieren. Angebracht wäre ein solches Vorgehen nur, wenn Sie mit einem noch viel schlimmeren Börseneinbruch und einer grossen Finanzkrise rechnen. Auch dies kann man nie hundertprozentig ausschliessen.
Wenn Sie alle Wertschriften verkaufen würden, hätten Sie danach das Problem, dass die Inflation an ihren liquiden Mitteln nagen würde.
Persönlich gehe ich davon aus, dass schon sehr viel Negatives in den aktuellen Kursen der Aktien und Anleihen enthalten ist. Noch schlimmer würde es kommen, wenn aus der Krise zwischen China und Taiwan ein Krieg entstehen würde oder wenn wie in der Finanzkrise eine Grossbank zusammenbrechen würde und die Finanzstabilität gefährdet wäre. Momentan erwarte ich dies nicht. Ebenso möglich ist, dass sich die Kurse der Aktien und Anleihen nach einem Ausverkauf langsam stabilisieren, zumal die Märkte weitere Zinserhöhungen und eine Rezession in den USA und Europa langsam eingepreist haben sollten.
Wenn Sie alle Wertschriften verkaufen würden, hätten Sie danach wie Sie richtig schreiben das Problem, dass die Inflation an ihren liquiden Mitteln nagen würde. Darum ist es wichtig, dass Sie genau wissen, wie Ihr Finanzbedarf in den nächsten Monaten aussieht. Aus meiner Sicht sollte man genügend liquide Mittel zur Finanzierung des Lebensstandards in Ergänzung zu den Renten für wenigstens sechs Monaten – noch besser für ein Jahr – auf der Seite haben. Den Rest würde ich wohl in den Wertschriften lassen und auf eine spätere Erholung setzen. Vorausgesetzt, dass die Qualität Ihrer Wertschriften im Depot gut ist, was ich zusammen mit der Bank prüfen würde, besteht eine realistische Chance, dass sich diese wieder erholen werden. Doch dies braucht Zeit.
Indem Sie genügend liquide Mittel für die Finanzierung des Lebensstandards auf der Seite haben, schaffen Sie sich für das restliche in den Wertschriften parkierte Kapital den nötigen Zeitrahmen und Handlungsspielraum, damit Sie nicht zu einem schlechtestmöglichen Zeitpunkt Ihre Wertschriften abstossen müssen.
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